Siebenschläferstraße 29
Epilog (Die Zeit vor der Zeit)
Wie lange dauert die Gegenwart, oder sollte man besser fragen, wann endet die Zukunft und wann beginnt die
Vergangenheit?
Was mir erst jetzt langsam zu Bewusstsein kam, meine Generation in Mitteleuropa war in einer eher friedlichen Nische der
Geschichte aufgewachsen ...
Das größte Drama seit dem Dreißigjährigen Krieg; zwei Weltkriege die in deutschen Landen Tabula rasa machten und eine bizarre
gesellschaftliche Orientierungssuche, die die deutschesprachige Kultur ins Altertum recretieren ließ und gründlich auszählte; war vollbracht!
In dem, unter dem Protektoriat eines neuen "Roms im Westen" (USA) zur Phönix aus der Asche wiedererstandenen Länder, wuchsen wir
auf.
Das Wort Frieden in seiner wirklichen Bedeutung kannten wir nicht, wie alle Wörter die man nicht kennt, die etwas bezeichnen was einem
selbstverständlich ist, von dem man nicht einmal weiß, dass es selbstverständlich ist...
Allein die Hintergrundstrahlung des vergangenen globalen Supergaus, in den Gehirnen unserer Eltern; ( ähnlich wie
die von Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson zufällig entdeckte Urknall Hintergrundstrahlung, die im Fernseher der 40er nach Sendeschluss den "Schnee" erzeugten ); blieb
unbemerkt, überdeckt vom Wirtschaftswunder-Lärm, omnipräsent ...und prägte uns, und klingt in uns und unseren Kindern und Enkelkindern weiter ...
Nachdem die Flüchtlingsströme aus allen blutenden Wunden Europas allmählich abebbten, in Barackenlagern vorläufig versorgt; in
unserer Nachbarschaft war ein solches, ich war in der Volksschule mit einem Jungen, der in einem solchen wohnte befreundet, (war ich doch selbst ein Halbflüchtichtligskind
mütterlicherseits.
Nachdem abgeschobene Kinder aus Liaisonen, mit Besatzungsoldaten eine Familie gefunden hatten, die sie adoptierten, wie zb Jonny
mit dem schwarzen Kraushaar und der Ebenholz farbenen Haut, der mit mir in der Volksschule, die aus dem Sudetenland geflüchtete Lehrerin teilte.
Nachdem meine Mutter mit ihrer Violine unterm Arm, bis zum Bauch im Schnee die tschechische Grenze Richtung Österreich, gemeinsam mit
Faktor, dem Kollegen aus dem Olmützer Orchester überquerte.
Nachdem mein Vater die Stelle des ersten Flötisten im Mozarteum Orchester antrat; ohne ein Probespiel machen zu müssen, weil er vor dem
Krieg ein Probespiel bei den Wiener Symphonikern bestanden hatte, nach dem Krieg aber dort die Stelle nicht antreten konnte, da diese an einen Musiker mit jüdischem Hintergrund vergeben
wurde, sozusagen als Wiedergutmachung was dem jüdischen Volk widerfuhr, die mein Vater hier leisten mußte, er danach quer durch die Lande tingelte, mit dem Vokalensemble "Komische Sänger,
singende Komiker" in Barbashop- Stil, auf verschiedenen Bühnen mit verschiedenen Programmen wie zb Zauberer, Komiker, Volksmusik... ect .
An einer dieser Bühnen lernte er seine zweite Frau kennenlernte, wodurch seine erste Frau, die Mutter meines Halbbruders Heinz,
seine erste Geschiedene wurde.
Seine zweite Frau wurde zu seiner zweiten Geschieden, nach dem mein Vater sich bei einer verheirateten Frau mit fünf Kindern, mit
gemeinsamer Liebe zu Rainer Maria Rilkes Lyrik, Liebeskrank gemacht hatte.
Im Mozarteumorchester traf er auf seine zukünftige dritte Frau, eine aus Olmütz geflüchtete Geigerin.
Nachdem ein Kollege in einer Orchester-Proben Pause meiner Mutter sagte, draußen wartet ihr Vater auf sie, obwohl ihr Vater, vor nicht
allzulanger Zeit gestorben war und vielen anderen ähnlich Ereignissen landen wir hier, in der:
Siebenschläferstraße 29
.....Die Hausnummer zum Stiegenhaus zu den Dienst-Wohnungen der Musiker des Mozarteum Orchesters Salzburg, die zwischen der
Siebenschläferstraße 27, die Hausnummer zum Stiegenhaus zu den Dienst-Wohnungen der Polizei und der Siebenschläferstraße 31, die Hausnummer zum Stiegenhaus zu den
Dienst-Wohnungen der Polizei liegen!
Ein Wohnblock der "Neuen Heimat" in Salzburg Lehen in den 50ern und 60ern
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass man sicher gehen wollte, das Volk der Musiker unter Kontrolle zu halten zu wollen; nach dem Motto,
man weiß ja nie...oder sicher ist sicher; nach der Art wie man einen Verdächtigen abführt, je links und rechts einen Polizisten, nur dass es hier jeweils gleich ein ganzes Haus voller
Sicherheitsbeamten war...
Dabei waren das Volk der Musiker, die hier in der Siebenschläferstraße 29 ansässig waren, alles andere als etwa wild, oder gar
gefährlich!
Im Gegenteil, sie waren alles brave Musik-Beamte die sich dankbar ihrem Dirgenten unterordneten, wie Hennen dem Hahn. (Mit einer
Ausnahme; mein Vater, dem bei Dirgenten gefürchtete Betriebsrat).
Zutiefst bürgerliche Existenzen, die täglich ihren Mittagsschlaf absolvierten und wehe wenn wir Kinder da Laut waren, was auch richtig
war, denn am Abend mussten die Musiker ausgeschlafen sein, wenn sie etwa zum zweihundertsten im Salzburger Landestheater "Die Zauberflöte" spielten.
Große Liebe war selten dabei und sie wurden bei geselligen Beisammensein nach einem Konzert im Wirtshaus nicht müde, das immer wieder zum
Ausdruck zu bringen; so etwa der Cellist Mali Senior: "...weißt du was ich mache, wenn ich in Pension bin? ich stelle mein Cello in eine Ecke und jeden Tag pinkle ich einmal drauf..." er
zwinkerte verschmitzt dabei, während er an seinem Weinglas nippte...
Abgesehen von seiner Hassliebe zu seinem Cello war Hein Mali Senior ein herzensguter mitfühlender Mensch, obwohl meine Mutter erzählte, er
habe früher seine beiden älteren Söhne geschlagen, was er jetzt bei seinem Jüngsten, meinem Freund Hein Junior, nicht mehr mache...
Die Familie Malsy spielten in diesen Jahren keine geringe Rolle in meinem Leben, ihre Wohnungstür im zweiten Stock war mir ebenso vertraut,
wie an ihrem Klingelknopf zu drücken und geöffnet zu bekommen.
Man kam von der Wohnungstür direkt in den Flur, der nach rechts zum Wohnzimmer mit dem großen runden Biedermeier Tisch führte, in dem der
alte Mali residierte.
Nach links kam man in das zum Kinderzimmer umfunktionierten Schlafzimmer, in dessen Richtung Frau Mali "Hein, der Peter..." rief, nach dem
sie die Die Familie Mali spielten in diesen Jahren keine geringe Rolle in meinem Leben, ihre Wohnungstür im ersten Stock war mir ebenso vertraut, wie an ihrem ohnungstür für mich
geöffnet hatte...
Die Malis die im 1. Stock wohnten, waren uns Schwarzbauer die im dritten Stock wohnten, bezüglich der Alltagskultur der
Wirtschaftswunderjahre immer ein bisschen voraus, so sah ich zb bei den Malis zum ersten Mal in meinem Leben einen Camenbert, "Sirius Camenbert", perfekt durchzogen, der natürlich dem alten
Mali vorbehalten war; sie hatten einen Fernseher, vielleicht war das der Grund, warum wir dann auch bald einen bekamen, ich erinnere mich noch, wie ich staunend seine Anlieferung erlebte,
wie mein Vater schimpfend daran scheiterte, die Sender einzustellen, was dem, uns zuhilfe geholten alten Mali im Handumdrehen, mit triumphierenden Grinsen gelang ..."Österreich 1,
Österreich 2, Deutschland 1 und sogar Deutschland 2 "...
So war auch Hein Junior, mir immer ein Stück voraus, wenn nicht sogar mehr, vielleicht frühreif, ich dagegen von einem Kokon aus
Naivität umsponnen, leichtgläubig!
Hier ein Beispiel: Als der etwa gleichaltrige Polistensohn Marc Gmeilbau; aus der Siebendschläferstraße 27 auf dem
Parkplatz des zehnstöckigen Nachbarwohnblocks, das"Hochhaus" genannt, auf mich zukam, an seiner Seite leicht den Arm um ihn legend, einen etwa um einen Kopf kleineren Jungen mit leicht
schiefen, boshaft grinsenden Gesichtszügen und abstehenden Ohren , ein "Hochhaus" Bewohner; zu mir sagte: ..."Der do hot an Ponza...", (der da hat einen Panzer) mit einer Kopfbewegung zu
dem kleinen, "...und der schiaßt eia Haus zamm'" (und der schießt euer Haus zusammen), da drehte ich mich um und machte mich schluchzend auf den Weg heim. Frau Huti die Frau des
slowakischen Fagottisten aus Siebenschläferstraße 29 Top 3, kam zufällig des Wegs: "Jo Peta warum weinst den ?!" Sie war gebürtige Pidingerin, Piding das ist ein kleines Nest auf
bayrischer Seite, unmittelbar an der deutsch-österreichischen Grenze.
Nachdem ich ihr von der traumatischen Offenbarung des Polizistensohnes Marc erzählte, antwortete sie..."obo geh' so a Bledsinn!" Worauf ich
ihr, ob ihrer Unerschrockenheit Bewunderung zollte...
Nach dem mich Frau Mali durch ihre Wohnungstür hereingelassen hatte, ging ich immer selbstständig nach links durch den dunklen Flour, ein
Lichtstrahl der aus dem hellen Zimmer, der durch den immer größer werdenden Spalt in den dunklen Flour drang, während ich die Tür öffnete, blendete mich.
So war es immer, als ich meinen Freund besuchte und er war meistens mit irgend etwas beschäftigt und meistens begrüßte er mich wie nebenbei,
gleich ich, der ich, wie nebenbei sein Zimmer betrat...
Einmal erinnere ich mich, sagte seine Mutter nachdem sie mich herein ließ: ..."er schläft..."
Ich trat an sein Bett, tatsächlich er lag schlafend in seinem Bett, mit seinem typischen Kraushaar das er nicht liebte, den
Zeigefinger seiner rechten Hand in der Nähe seines rechten Nasenloches, seiner etwas knolligen Nase, die er ebenfalls nicht liebte...
Plötzlich packte er mich, mit einer sich blitzschnell halbaufrichtenden Bewegegung und hielt mich an der Hand fest..."Jetzt hob' i'
di!" (Jetzt habe ich dich)
Ich erschrak stocksteif reglos; ich war eben leicht zu beeindrucken, in keiner Weise in der Lage "Jetzt hob' i' di!" sofort als Blödsinnig
wahrzunehmen; während er sich im Bett aufsetzend mich mit dem Hinweis auf die Scherzhaftig des eben gesagten, meine Beunruhigung auflöste ...
Die Mutter von Heinz, war eine stets positive, auch attraktive Frau, rückblickend würde ich sie auf 30 bis 40
schätzen...
Meine Mutter erzählt mir, dass Frau Mali bei einem blinden Vater aufwuchs und meine Mutter lies durchblicken, sie sei irgendwie der
Meinung, dass durch diese Tatsache, das heranwachsende Mädchen natürlich sehr geprägt wurde, ich glaube vielleicht sie meinte, dass sich das Mädchen dadurch das nötige Rüstzeug
erwarb, um als Erwachsene Frau, für die Ehe mit Musiker gewappnet zu sein...
Frau Mali würde man heute vielleicht als "tough" bezeichnen, aber stets heiter, mit einer Prise Strenge, die Hein Junior des Öfteren zu
spüren bekam, vielleicht auch "smart", unternehmungslustig, die mich z.b. zu Schlittenfahren auf den Mönchsberg mitnahm, zu Fuß, mit unseren Schlitten im Schlepptau, ging sie, mit leichtem
stolzem Lächeln, stets erhobenen Hauptes, ihr knapp oberhalb der Schutern gerade abgeschnittenes blonden Kraushaar leicht im Nacken, mit Hein und mir und auch anderen, ich glaub den
Huti Buben, von Lehen nach Mülln, die Serpentinen auf den Mönchsberg hinauf, zu den Wiesenhängen oberhalb der Mauern; wo wir rotbackig die Schlitten hochzogen, um auf ihnen herunter zu
rutschen, um im Tiefschnee unten anzukommen, dann rotznasig uns wieder hoch kämpften, auf dem Schlitten wieder wie in einem kleinen Boot bei hohen Wellengang hinab zu branden, die
Kleidung starr vor Schnee...
Auch zu den Geburtstagsfeiern von Heinz war ich eingeladen!
Vor einer dieser jährlichen Einladungen wurde ich allerdings von meinem Vater gebrieft, hier zu Erklärung:
Der Beruf, mit dem mein Vater mich, meinen Bruder Jan und meine Mutter ernährte, war Soloflötist im Mozarteum Orchester... Aber seine
eigentlich Berufung war: "Wirtshauskomödiant" (Alleinunterhalter)
In dieser Funktion hatte sich mein Vater schon einen nicht unbeachtlichen Ruf erworben
und war deshalb in allen Wirtshausrunden sehr beliebt...
Nach den nervenaufreibend Konzerten hatten es sich mein Vater und befreundete Kollegen zur Gewohnheit gemacht, in Wirtshäusern, wie z.b.
"Krimpelstätter" oder "Zu den 3 Hasen" bei geselligen Beisammensein, den mörderischen Stress überstandener Konzerttätigkeiten abzubauen, mit unterstützender Zuhilfenahme von weißmützten
Bierkrügen, oder, von meinem Vater bevorzugt, Wein...
Mein Vater hatte ein beachtliches Repertoire an Liedern, die er, sich selbst auf Gitarre oder Klavier begleitend, ausgesprochen
komödiantisch vortrug, hier ein Beispiel:
"Dem Andal sei Sun" ("Dem Andreas sein Son") (Lungauer Trad.)
1.Strofe:
"Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun sein Sun,
Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun..."
(habt ihr ihn schon gesehen, dem Andreas seinen Sohn seinen Sohn usw.),
weiter: "wean g'sehn hot, der muas eam kennt hob'n und wea eam kennt hot, der muas eam g'sehn hob'n..."
(Wer ihn gesehen hat, muss ihn gekannt haben und wer ihn gekannt hat muss ihn gesehen haben...)
Dann wieder: "Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun sein Sun,
Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun..."
2.Strofe detto, aber z.b.in der
Art eines Sanguinikers, dargebracht: Mein Vater sang die Strofe so, als müsse er sich vor lauter Lachen beinahe an pieseln...
Dem Publikum ging es beinah ebenso...
3.Strofe detto, aber wieder als eine andere Charaktere z.b. ein Melancholiker: Mein Vater sang die Strofe so, als
käme er vor lauter weinen kaum noch zum Singen, zwischendurch tat er so als ob er sich in die Finger schnäuze (mit Lippen und Zunge ein Scheuzgeräusch imitierend) und dann so tat als wische er
sie am Ärmel seines Sitznachbarn ab...
4.5.6. Strofe, detto, dargeboten in unterschiedlichsten Charaktereren...
...das Ergebnis: Rote Gesichter, vor lauter Lachen Tränen in den Augen...
Für den Schluss hob sich mein Vater eine "Spezialstrofe" auf:
Dazu muss man allerdings wissen, dass mein Vater anno 1943 bei einem Fronturlaub vom Rußland Feldzug, in Wien bei seiner damaligen
Frau Gretel; zu dem Schluss gekommen war, genug für Adolf gekämpft zu haben, weil 1000 Jahre hält er das sicher nicht durch!
Hatte schon ein Einfußreicher Musikliebhabender Oberst, ihm wahrscheinlich das Leben gerettet, in dem er den Musiker Schwarzbauer,
genannt "Blatt'l oder „Schwarzblatt', aus dem Stalingrad-Kessel ausfliegen ließ, rettete ein musikfreundlcher Kamerad bei der Sanität ihn, in dem er ihm von Zeit zu Zeit einen
Zahn zog, mit verschwörerischem Augenzwinkern:"...na der Zahn is a hin, der muas a ausi..."und mein zukünftiger Vater dadurch immer wieder aufs Neue dienstuntauglich wurde und die Abkommandierung
zu der Schlacht nach Monte Cassino, die er wahrscheinlich nicht überlebt hätte verhindert war!
So tauschte er Zähne gegen Leben und die Möglichkeit mich 10-12 Jahre später zu zeugen um mich diese Geschichte hier schreiben
lassen...
Zusätzlich konnte er nach Belieben seine Zähne herausnehmen und wieder einsetzen, etwas, das bis dato noch nicht fertig
bringe...
Letzte Strofe, detto, dargebracht als Zahnloser: Er hatte unauffällig sein künstliches Gebiß herausgenommen und
heimlich irgendwo versteckt und sang "...Hopff't eam fo gfeh'n, an Anfal fein Fun Fein Fun..."
...die Leute lachten bis sich die Tische bogen ...
Dann geschah etwas unvorhergesehenes...das künstliche Gebiss meines Vaters war plötzlich unauffindbar!!
Weiter begab sich folgendes:
ALLE SUCHTEN DIE DRITTEN ZÄHNE MEINES VATERS!
Unter dem Tisch, unter den Bänken und Sesseln, überall!
Ich muss gestehen: Ein Beispiel heroischen Einsatzes im Dienste des Showbusiness !
Ich erzähle diese Geschichte um einen Eindruck zu vermitteln, wer dieser Mann war, der als fürsorglicher Vater seinen schüchternen
Sohn briefen wollte, um in einer bevorstehenden Kindergeburtstags Party als smarter Unterhalter zu Punkten!
"Also pass' jetzt genau auf!" sagte er zu mir, mich eindringlich mit seinen grün-blau-grauen Augen fixierend!
"Du beginnst mit dem Erzählen eines Witzes: 'Drei Enten gehen über eine Brücke, wollen aber nicht auf die Brücke hingakken, wärend sie
darüber gehen...'dann fragst du vielsagend in die Runde: 'Was sollen sie tun', legst eine Spannungspause ein, eventuelle Vorschläge aus der Runde kommend schmetterst du
ab...dann erklärst du! 'Die erste Ente geht voraus, die zweite Ente hinterher und steckt ihren Schnabel in den Hintern der ersten Ente...' machst wieder eine Kunstpause und wirst
sehen, wie die Spannung steigt, dann machst du weiter mit der dritten Ente die ihren Schnabel in den Hintern der zweiten steckt...Kunstpause ...und ich garantiere dir, irgend ein
Wichtigtuer aus der Geburtstagstagsrunde wird fragen: und wer steckt der dritten Ente den Schnabel in den Hintern?' da sagst du: 'das kannst du tun !!'"
In dieser Weise gebrieft begab ich mich auf die Geburtstagsfeier von Hein Mali Junior...
Die Spätnachmittags Sonne schien durch die westwärts gelegen Doppelfenster auf den Tisch mit der Geburtstagstorte, um den herum die
Geburtsgäste saßen, ich, die Huti Buben, Hein und Frau Mali...ich hatte lange gewartet bis ich mich traute:"...ich weiß eine Witz..." dann begann ich: "Drei Enten gehen über eine Brücke, wollen
aber nicht auf die Brücke hingakken, wärend sie darüber gehen...'dann fragte ich vielsagend in die Runde: 'Was sollen sie tun', dann legte ich eine Spannungspause ein,
eventuelle Vorschläge aus der Runde kamen nicht ...dann erzählte ich weiter: "die erste Ente geht voraus, die zweite Ente hinterher und steckt ihren Schnabel in den Hintern der ersten
Ente...' für eine weitere Kunstpause hatte ich nicht so recht die Nerven, 'was wenn es ihnen zu lange dauert?' darum machte ich gleich weiter mit der dritten Ente die ihren Schnabel in den
Hintern der zweiten steckt...keine
Kunstpause...was wenn kein Wichtigtuer aus der Geburtstagstagsrunde fragt '...und wem steckt die dritte Ente den Schnabel in den
Hintern?'
Diese Möglichkeit machte mich sehr nervös und beunruhigte mich sehr und ich entschloß mich sozusagen zu einer "FLUCHT NACH VORN„
sagte ich in Richtung Hein: "...und der dritten Ente kannst du deinen Schnabel in den Hintern stecken ..."
Die Pijamahose.
Eines Tages schneiderte Mutter Mali ihrem Sohn Hein aus einem längsgestreiften Stoff eine Hose, diese Hose wurde prompt zur Lieblinshose von
Hein, mit der Konsequenz das Heinz sie fast jeden Tag anhatte, ab dieser Zeit war er "Der mit der Pyjama Hose"...
Ich glaube diese Art von Wiedererkennungswert, schmeichelte Heinz zuweilen, so ein Wiedererkennungswert hatte aber, muss man sagen, nicht
immer nur Vorteile, zumal Heinz ja nicht immer der Bravste gewesen war...
Die Fenstersturzzeit. Das war die Zeit in der ich "Berühmtheit" erlangte...
Sogar im "Salzurger Volksblatt" und anderen salzburger Zeitungen konnte man darüber lesen.
Die "Salzburger Nachrichten" schrieb am 18.6.1962: "...fiel der achtjährige Peter Schwarz... aus einem im dritten Stock gelegenen Fenster
der elterlichen Wohnung in die Tiefe und zog sich dabei schwere Verletzungen zu..."!
Das mit den schweren Verletzungen war allerdings Fake-News, aber ich muss zugeben es klingt
öffentlichkeitswirksamer !
Alle möglichen Menschen pilgerten, zu der Stelle hinter dem Dreistöckigen Wohnblock der Schiebenschläferstraße 27-31 um die kleine Mulde in
der Wiese direkt in Falll-Linie unterhalb unseres Schlafzimmerfensters im dritten Stockwerks zu bestaunen...
Meine Beine waren damals so lang wie das Fensterbrett unseres Fensters breit war, so das ich entspannt mit ausgestreckten
Beinen auf diesem sitzend den Rücken am Fensterlängsbalken gelehnt, das Treiben im Hinterhof zu beobachten konnte.
An oben erwähnten sonnigen Junitag saß ich also sogestalt am Fensterbrett und hatte schon gemütlich bei einem selbstgemachten
Zwiebelbrot bis zu ca. zu einem Drittel Abbissspuren hinterlassen und beobachtete drei Polizisten- Ehegattinnen mittleren Alters, in Lockenwickler-Style , nahe der Kellerstiege des Hauses 27
zwischen Teppichklopf- und Wäschetrocken-Stangen auf Campingsesseln, an einem Klapptisch sitzend, beim Karten spielen...
Angeblich berichtete später eine von ihnen; sie wurde von einem Geräusch erschreckt, bei dem sie dachte, irgendjemand hat einen
Teppich aus dem Fenster geworfen...
Meine Mutter, einige Zeit danach zu mir, es war furchtbar, sagte sie; als sie, die im Wohnzimmer mit meinem kleinen Bruder Jan beschäftigt,
erst allmählich das Geschehene realisierend, mit meinem kleinen Bruder im Arm aus dem Fenster in die Tiefe hinab spähte, das Unfassbare ohnmächtig zu realisieren eigentlich
nicht in der Lage war...rief ihr eine der Damen zu: "pass'ns auf dass eanan da Klane net ano obafoid"!
Ich erinnerte mich an fast gar nichts, keine Angst, keine Schmerzen, vielleicht nur in einem ganz fernen Bewußtseinsnebel, ein rückwärtiges
nachhinten greifen und dass kratzende Gefühl abrutschender Fingernägel auf blechernem Fensterbrett und mein Vater, ja sagend zu einem Mann im weißen Kittel ....
Wenn ich damals gestorben wäre, hätte ich davon nichts mitbekommen; ganz zu schweigen davon, dass, wie oft kolportiert, mir während des
Falles, vor meinem inneren Auge mein ganzes Leben vor mir abgelaufen wäre...(abgesehen davon, dass es da noch nicht viel zum "ablaufen" gegeben hätte, mein Leben war ja damals noch nicht so
lang, gerade mal fast 8 Jahre...).
Auf alle Fälle möchte ich mich hier an dieser Stelle für die damalige unglaubliche Leistung meines Schutzengels BEDANKEN
!!! denn außer einer Gehirneschütterung und drei geprellten Rippen war mir nichts passiert...
Meine bewussten Erinnerungungen begann mit dem Aufwachen in einem Bett des Kinderkrankenhaus Salzburg.
Mit einem großen Pflaster über die die gesamte Oberfläche meiner Bauchdecke.
Als Schwester Elfiede das Pfaster wechselte, konnte ich ihn sehen, den großen Schnitt in Längsrichtung meines Bauches, mit
spektakulären Nähten zusammengezogen, ringsherum alles Blau, das war wahrscheinlich das, zu was mein Vater zu dem Mann im weißen, Kittel ja gesagt hatte... Bauchdecke öffnen?
Damals die einzige medizinische Möglichkeit abzuklären ob es innere Blutungen gab...aber es gab sie nicht...
...darum musste ich zehn Tage im Krankenhaus bleiben, machte mir nichts aus, so konnte ich länger bei Schwester Elfriede bleiben, in die ich
mich verliebt hatte...
Schwester Elfriede die zu uns kleinen Patienten sehr Führsorglich war, konnte Erwachsene eindrucksvoll aus dem Krankenzimmer hinaus
schmeißen, so auch meinen Vater und noch jemanden der fast so wie mein Vater aussah, nur etwas kleiner und seine Gesichtszüge etwas verzogen die selbe Stimme nur tirolerisch gefärbt, sich gut
gelaunt den Raum mit Stimmen füllend dur die Tür drängen wollten, aber von Schwester Elfriede durch die halbgeöffnete Tür mit: Nein nein nein wieder zurückdrängte, sonderbar ich wußte gleich dass
es Onkel Alfred war, obwohl ich ihn noch nie gesehen hatte, ich kannte ihn nur aus Erzählungen meines Vater durch die ich wusste dass Onkel Alfons in seiner Jugend einen Bergabsturz mitgemacht
hat...schade das Elfriede ihn nicht herein gelassen hatte, denn ich denke Onkel Alfred hätte gerne Absturz Erfahrungen mit mir ausgetauscht und ich mit ihm...
So lag ich Im Bett und beobachtete durch die hohen alten Fenster des Krankenzimmers, die Schwalben, die piepsend ihre Kreise zogen
hoch über die Kastanienbäume des Müllnerbräu-Biergartens aus dem fern Gemurmel klang und helle Geräusche von aktivem Essbesteck, der Himmel war strahlend Blau, es war Juni.
Auf dem Krankenhausnachtkästchen neben meinem Bett, eine köstliche mit Marillen-Marmelade gefüllte Bisquit-Rollade, gebacken von meiner
Lehrerin, unfassbar und meine Mutter erzählte mir, sie habe gemeinsam mit meinen Mitschülern für mich gebetet ...
Innsbruck, oder besser: “Innschbruck“ die Heimatstadt von Onkel Franz!
Heimatstadt ist richtig, denn Onkel Fritz verkörperte das Tirolerische so stark, dass ich am liebsten selbst ein Tiroler gewesen wäre,
wenn ich bei ihm war, oder er bei uns, was allerdings nicht oft vorkam...
Um so mehr freute ich mich, wenn er plötzlich vor unserer Tür im dritten Stock der Siebenschläferstraße 29 stand, die ich
öffnete weil es klingelte, und tirolerische Klänge mich begrüßten, begleitet von einem verschmitzten Grinsen das seine buschigen Augenbrauen leicht schief - und seine ledrige Haut in Falten
legte.
Ich rief "Onkel Fritz" drehte mich auf der Stelle um ließ ihn an der Tür stehen, rannte durch unseren dunklen langen engen Flur in
Richtung Wohnzimmer und rief "Mama, Mama, Onkel Fritz ist da....!
Genauso freute ich mich wenn wir Onkel Franz besuchten.
Onkel Franz wohnte in "Innschbruck" in einem schönen alten Mehrparteien-Wohnhaus.
Das gerundete Stiegenhaus war kühl, nach einigen Rundungen die Stiegen mehrere Stockwerke hinauf gekämpft stand man plötzlich vor der
dunkelbraunen Wohnungstür von Onkel Frianz und seiner Familie. Ich erinnere mich noch an das hohe geräumige Wohnzimmer mit Kastenfenstern mit Oberlichten durch die mildes
Licht schien.
Es gab einen Küchentisch mit einer Eck-Sitz-Bank beim linken Fenster; von dem Sitzbett aus gesehen, neben dem ein Kofferplattenspieler auf
einem Kästchen stand, mit Schallplatten daneben, eine davon Herbert Hisel, " "Ein Münchner im Himmel" "...du boaniger Engl du boaniga..." kann ich mich noch erinnern und außerdem lag da auch noch
eine Gitarre...
Am Küchentisch saßen die Erwachsenen, Onkel, Tante, meine Mutter, mein Vater, meine drei Cousinen, die meinen Vater liebten, in ein
Erwachsenen Gespräch vertieft, meine Cousinen waren ja auch schon fast Erwachsen...
Nachdem ich Herber Hisel fertig gehört hatte, nahm ich die Gitarre in die Hand und ließ mich von ihrem Geruch betören. Ich zupfte an den
Saiten und mir schwebten silbermondgleiche Klänge entgegen...
Das war zu leicht zu bewerkstelligen, bei einer Gitarre braucht man die Töne nur freizulassen und sie schweben fort wie Löwenzahnsamen im
Maiwind...
Erst einer, dann zwei, dann drei ... die Abstände der drei Nylon-Saiten passten genau zu den Abständen meinen Finger zu einander an
der rechten Hand...Ringfinger zur 1.Saite, Mittelfinger zur 2.Saite, Zeigefinger zur 3.Saite.
Dann zupfte ich drei Saiten hintereinander an, drei Töne schwebten hintereinander hoch und verschmolzen zu einem Klang, was ich damals noch
nicht wusste, ein E-Moll Sext-Akkord.
Das wiederholte ich, mit dem Unterschied, dass ich die 1. Saite am 1.Bund niederdrückte, es entstand etwas völlig anders, eine
komplett andere Welt: Drei Klänge schwebten in mein Ohr, aber sie schichteten sich wieder völlig anders, kitzelten mir im Ohr, wie ein kühler erfrischender Wind der von einem Bergkamm herunter
weht, hinter dem sich gerade die Sonne versteckte... ein G7-Akkord mit Auslassung der Quinte.
Das selbe nochmals, mit dem Unterschied, dass ich die 2. Saite am 1.Bund niederdrückte, es entstand etwas völlig anders eine komplett andere
Welt: Drei Klänge schwebten in mein Ohr, aber sie schichteten sich wieder völlig anders, wie wenn eine leichte Brise weht, über ein Weizenfeld, auf der sich milchiger matter Sonnenschein legt:
ein C-Dur Akkord Quartsext Akkord.
Wieder so was ähnliches, aber auf die 3. Saite am 1.Bund niederdrückend, dieses Mal war alles anders, Viva Espania! : ein E-Dur
Sextakkord, der seine melancholische Erlösung fand in dem A-Moll Akkord den ich unwissentlich spielte, nachdem ich die ganze genußvolle Fingerabroll Sequenz wiederholte, wieder den 1.Finger auf
den 1.Bund der 2.Saite aber zusätzlich den 2. Finger auf den 2. Bund der 3. Saite drückte!
Die Erwachsenen redeten über ernste Angelegenheiten und die Worte vermischten sich dem blauen Dunst aus meine Vaters Zigaretten, seit damals
haben ernste Worte für mich Nikotin Fläir. Meine fast erwachsenen Cousinen lauschten mit großen Augen und Ohren und versuchten sich dann und wann an Erwachsene Wortspenden.
Meine Zeige-Mittel-Ringfinger zupften 3.2.1.Saite an, unermüdlich, in gemeinschaftlicher Anstrengung mit den dem 1.und 2. Finger der linken
Hand am Griffbrett, ließen sie Dreiklänge aus der Gitarre E-Moll, G7, C-Dur, E-Dur, A-Moll, in mein Ohr schweben, immer wieder und wieder, dann 2x, dann 4x, 8x, jeden Akkord,
plötzlich Richtungsänderung der Finger der rechten Hand: Ring-Mittel-Zeigefinger rechts, dann Zeige-Mittel-Ringfinger und Mittel-Zeigefinger in einem durch...und wieder und wieder
immer schneller und schneller wie Spielzeug-Wind-Räder in dass ein Kind bläßt...
Meinem Vater war das nicht unbemerkt geblieben, als wir wieder in Salzburg waren engagierte er für mich einen Gitarrelehrer, Herr
Stra.
Herr Stra, ich mochte ihn sehr, er war sanft, freundlich, distinguiert, zu schmunzelnder Ironie im Unterton seiner Rede neigend; das
Gegenteil von meinem, im Krieg verhärten Vater und es entstand eine freundschaftliche Beziehung.
In dieser Atmosphäre lernte ich schnell auf der Gitarre, es dauerte nicht lang, da erreichte ich ein technisches Niveau, gleich jenem, das
ich in meiner späteren Unterrichtstätigkeit am "Musikum" meinen Schülern zum "Bronzenen Leistungsabzeichen" abzuverlangen verpflichtet war.
Eines Tages, in einer der üblichen Gitarrenstunden, Stra saß wie immer direkt rechts neben mir, legte er seine linke Hand in
meinen Schritt.
Stra wohnte im 1.Stock Tür Nr 4, seit damals fröstelt es mich wenn ich diese Tür vor meinem geistigen Auge visualisiere... Dabei hatte ich
diesen Mann früher einmal geliebt, ich denke, das ist das Problem bei vielen sexuellen Übergriffen...
Danach wollte ich Cellist werden!
Meine erste Begegnung mit dem Cello war die Begegnung mit seinem Klang, der mich mit Komplementär Schwingungen und Differenztöne , oder
waren es Residualtöne ?umhüllte; als ich meinen Vater sah, wie er in unserem Wohnzimmer dieses Instrument, auf einem Stuhl sitzend zwischen seinen Beinen balancierend, beinahe umarmte er
dieses geschwungene Zauberwesen aus einem anderen Universum, dass er auf einmal, wie aus dem Nichts zu Hause anschleppte und darauf spielte...
Alles erschien mir plötzlich wie in einer Parallelwelt. Mein Vater war nicht mehr der Vater den ich seit Anbeginn meiner Erinnerung kannte.
Unwirklich, wie ein Hologramm das plötzlich von einem Höherem Wesen mit Strahlkraft in unser Wohnzimmer projiziert wurde. Mein Vater, Eins mit sich und allem, spielte so auf dem
Cello, als ob er immer so gespielt hatte, als ob er nie etwas anderes getan hätte als auf diesem Instrument zu spielen.
Es war wie ein blitzartiges sich Erinnern, Bewusstwerdung eines andern Seins, eine Instand Wandlung... Er spielte und die Cello Töne
orgelten durch den Raum und durch mich!
"Es war meine glücklichste Zeit..."
...Mein Vater erzählte von seiner Studienzeit in den 30er Jahren in Wien..."Obwohl ich damals ein Hungerstudent war, ich lebte von einer
Gulaschsuppe pro Tag..." Um Kosten sparen war mein Vater war auch Bettgeher bei einer Kriegswitwe (1.Weltkrieg) die den verweisten Teil ihres Ehebettes billig an Studenten
vermietete...
"...ich hatte damals einen Freund, Pepsch," fuhr er fort: "...wir hatten viele gemeinsame Gespräche über Musik, meist während
der oft langen Wege durch Wien, die wir zu erledigen hatten, Per Pedes, hatten ja kein Geld für die Straßenbahn ... Ich war damals glühender Wagnerianer, der sich enthusiastisch
für Wagneropern, lange um billige Stehplatzkarten anstellte!
'Blattl' ..." sagte Pepsch zu mir’“ erzählte mein Vater (Blattl, so wurde mein Vater damals genannt ) „...um das auszudrücken, zu dem
Wagner ein 100 Mann benötigt, braucht Mozart lediglich ein erweitertes Streichquartett'“ und mein Vater ergänzte sinnierend, „damals verstand ich noch nicht was er meinte "...Pepsch war damals
etwas reifer als ich...vielleicht hing das damit zusammen, dass er an einem irreparablen Herzklappenfehler litt, wer weiß..."
Zum Glück fand mein Vater gelegentlich hilfreiche Geister, die ihn hin und wieder aufpäppelten! Frau Meierl die für ihn eine
Basta asquitta zuzubereiten verstand, die bis hinauf in meines Vaters Gegenwart nicht seinesgleichen gefunden hatte, warscheinlich auch unter der Zuhilfenahme des Gewürzes “Hunger ist der
beste Koch"
Auch war Blattl einmal in der Woche zu Tisch in dem kultivieten beinahe Großbürgerlichen Haushalt seines Cellolehrer
Richard Krotschak geladen, mit dem Hintergedanken den hoffnungsvollen Hungerstudenten zu dringend nötigen Nachfütterungen zu verhelfen!
"...weißt du was mein Cellolehrer getan hat, wenn einer seiner Studenten nichts geübt hat? Beschrieb mir mein Vater seinen
Lehrer...
Zum Beispiel: "Dotzauer Etüden". Es waren ja immer alle seiner Studenten gleichzeitig beim Unterricht anwesend, wärend
einer vorspielte; er hat die Noten des betreffenden Studenten genommen, zusammengeklappt und freundlich gesagt' Schauen sie, es gibt so schöne Berufe: Bäcker, Schuster, ...' er schaute
gespielt fragend in die Runde der übrigen Studenten: '...was gibt, es noch, Tischler .... warum unbedingt Cellist?'. Du kannst sicher sein, sagte mein Vater zu mir, bis zum nächsten
Unterricht hatte jeder geübt!"
Ein Freund eine ehemaliger Studienkollege von mir, der ein sehr begabter Celloschüler beim Professor Weigl im Mozarteum
Salzburg war, setzte seine weiteren Studien in Wien bei Professor Krotschak fort, der sogar noch im höreren Alter, bis in die 1980er Jahren unterrichtete.
Mein Studienkollege litt damals leider an einer bestimmten Zangsstörung, die sich so äußerste, dass er nur auf bestimmten
Stühlen Cello spielen konnte! Bei seinem gutmütigen Lehrer in Salzburg probierte während der Cellostunde erstmals alle Stühle im Unterrichtsraum durch bis er zum Spiel bereit war. Als er
diese Gewohnheit auch beim Krotschak fortsetzen wollte, begab sich folgendes; mein Freund erzählte es mir, mit einem in seiner für ihn typischen Art ein bisschen verrücktem Kichern: "Was du was
Krotschak gesagt hat: '...Sie brauchen keinen Cellolehrer sondern einen Psychiater...'
Mein Vater erzählte, Krotschak war noch einer im alten Stil, der mit flottem Gestock und Strohhut ...
Mein Vater war auch noch bei den Krotschaks zum Essen einladen nachdem er gezwungen wurde das Cellostudium zu Gunsten seines Flötenstudium,
bei dem er weiter fortgeschritten war, sehr zum Missfallen von Krotschaks aufzugeben...
"Blattl, kann man so auch Solo spielen?" spöttelte Krotschak, gleichzeitig mit Handbewegungen Flötenspielen imitierend... "...Aber Richard,
laß ihn doch..." sagte Frau Krotschak weiblich beschützend...
Als mein Vater so unerwartet dieses Cello anschleppte und zu spielen begann zauberte er mit seinem Spiel all dies hervor...spulte
diese verlorene Parallel Welt, dieses nicht gelebte Leben für wenig kostbare Augenblick in unser Wohnzimmer, in dem er diese Töne seinem Cello entlockte, zurück...
...Sein wirkliches Leben hatte etwas anderes mit ihm vor:
Es müsste dieses Jahr gewesen sein, in dem mein Großvater am selben Tag starb als Adof Hitler in Österreich einmarschierte, in
dem Jahr als mein Vater erfolgreich das Probespiel für die Stelle eines Flötisten bei den Wiener Philharmonikern mit großem Erfolg bestanden hatte und Anfang 1939 als er zur
Deutschen Wehrmacht eingezogen wurde...
Meines Vaters Flötenlehrer ersuchte noch einen damals prominenten Dirigenten um Hilfe, mit dem Hinweise auf die hoffnungsvolle
Begabung seines Schülers, doch musste man sich resignierend in dem Wahnsinn fügen .
September 1939 ging es ab nach Polen ...
Blattl, der frisch gebackene Flötist der Wiener Symphoniker, der am liebsten Cellist geworden wäre, wurde von jemandem, der die
Aufnahmsprüfung zu Akademie der bildenden Künste in Wien nicht schaffte, gezwungen mit der Deutschen Wehrmacht das arme Polen zu überfallen.
Mein Vater erzählte nicht viel über die Kriegs-Zeit, nur seine Träume taten das, auch zwanzig Jahre später, hier ein Beispiel: Hotelzimmer
in Monte Carlo, einer der Stationen der Frankreich-Tournee des Mozarteum Orchesters; der Oboist, Robert Rauscher, wurde irgendwann zwischen drei und fünf Uhr morgens, von dem
gellenden Schrei, aus dem Mund seines Zimmerkollegen, dem Soloflötisten des Orchesters mit dem Spitznamen „Blatt’l“ , meinem von Alpträumen geplagten Vater
geweckt…
Dennoch ließ es sich mein, immer zu Scherzen aufgelegter Vater nicht nehmen, am nächsten Morgen, seine im Frühstücksraum des
französischen Hotels befindlichen Orchester-Kollegen schalkhaft mit "Pommes frites" Madame, „Pommes frites“ Monsieur, statt mit Bonjour zu begrüßen …
Als sich mein Vater an einen Tisch gesetzt hatte, näherte fürsorglich der Geiger Baumlinger, sagte zu ihm in vertraulichen Ton: „Herr
Kollege sie sagten Bom frites aber wahrscheinlich meinten Bon jour, es heißt Bon Jour, darauf wollte ich sie nur aufmerksam machen…“ Mein Vater bedankte sich herzlich bei seinem fürsorglichen
Kollegen,
während am selben Tisch befindliche Kollegen sich heimlich ihre Gesichter rotkicherten…
Mein Vater erzählte mir eine Geschichte aus der Zeit der Englandtournee des Mozarteumorchester; einige Musiker saßen im Foyer des
Londoner Hotels in dem sie untergebracht waren, die Kellnerin fragte: "Tea or Beer"? Darauf hin ein Kollege:" Was hots g'ogt" so lautstark in breiten salzburger Dialekt, dass die
Kellnerin erschrocken zurück wich. Mein Vater erklärte leise in die Richtung seines salzburgerischen Kollegen: "Sie will wissen ob du, Tee oder Bier willst..." darauf der
Kollege wieder lautstark mit großartiger Geste: "Jo natürlich Bia, mia Soizbuaga trink'n natürlich Bia!"
Während der Deutschlandtournee gab das Orchester auch ein Konzert in Hannover. Nach dem Konzert wurden die Musiker von der Keks-Familie
Balsen in ihre Villa geladen.
Es stand dort ein Flügel und ergab sich, was im sich immer ergab, wenn mein Vater in die Nähe eines Klavieres kam, speziell nach
dem Genuss von ein oder mehrere Gläschen sorgsam vergorenen Traubensaftes.
Egal ob in der Wohnung seiner Freundin Doris im 3. Stock ihrer Eigentumswohnung in Salzburg-Lehen oder in dem Weinlokal in Kaigasse wo mir
Vater den grausigen Wein, mit" Trink Peter, trink.." aufdrängte, in der Hoffnung, dass sein verschlosser schweigsamer Sohn etwas auftaute...
Der dort fix engagierte alte Barpianst, den es dort schon lange nicht mehr gibt, freute sich, wenn mein Vater kam...
Mein Vater sagte zu mir vertraulich: "Er freut sich wenn ich komme, denn er weiß, dann kann er eine Pause machen..." weiter sagte er mir,
dass er ihm leid tue, dass er Nacht für Nacht hier spielen mußte nur um zu überleben, ein tragisches gescheitertes Musikerschiksal...
Ich, der das Leben noch vor mir hatte, dachte, so werde ich niemals enden...
Mein Vater setzte sich ans Klavier und spielte und sang sein übliches Prorgamm mit dicker Klavierbegleitung.
Arien aus Operetten, Opern; wie zb einer seiner Favoriten: „Lache Bajazzo" aus: "Pagliacci, einer Oper von Ruggero Leoncavalli"
eine bewegende und der einzigen berühmte Arie Leoncavallis, in dem der Clown Canino aus einer Comediea dell' Arte Truppe kurz vor seinem Aufritt sein Leid in die Welt hinaus schreit, das Publikum
zum Lachen bringen zu müssen, obwohl er selbst zu tiefst traurig ist... Weiters Evergreens, die Klaviertasten mussten einiges aushalten und beiden, dem Klavier und meines Vaters Brust
entströmte intensive musikalische Energie...
Weiters:
"Ich habe mir für Grinzing einen Dienstmann engagiert,
Der mich nach Hause führt, wann irgendwas passiert,
Denn auf den Wein kann sich der Mensch ja nicht verlassen,
Da wackelt z'erscht der Kopf und dann die ganze Gassen!
Ich hab' mir für Grinzing einen Dienstmann engagiert,
Der hat mich numeriert, damit mir nix passiert!
Jedoch am Ende dieser seligen Partie,
Do woar der Dienstmann no viel b'soffener als i! "
Auch Drogensongs aus Wien hatte er drauf, erfolgreich den Zungenschlag eines Wiener Besoffen imitierend...
Man könnte meinen nach ein oder mehreren Liter Wein intus dürfte ihm das nicht schwer fallen, aber ich muss sagen mein Vater verlor nie auch
nach dem Konsum größerer Mengen Alkohols die Kontrolle über sich und man konnte ihm nichts anmerken, außer dass er sehr laut werden konnte... zum Beweis konnte er jederzeit einen Kopfstand
machen...
Ich war einmal dabei, als er in eine Polizeikontrolle kam, nachdem ein Doppler Rotwein seine alkoholische Essenz in seinen Blutkreislauf
transferiert hatte:
Rechts ran fahren, nach dem das Polizeiauto unser Auto zu Seite winkte, eine respektseinflösende Polizeiuniform nähert sich dem Fenster auf
der Fahrerseite im gelblich fahlen Schein der Straßenlaternen, Fenster herunterkurbeln, Autopapiere, einige Sätze wurde ausgetauscht, danke gute Fahrt...
Mein Vater nahm das zu Anlass mich zu briefen, quasi für die Zukunft"
...wichtig, ganz ruhig bleiben, nicht zum Fenster hinaus atmen, wegen der Alkoholfahne, ein bisschen argogannt, aber höflich
sein..."
Aber zurück nach Hannover, mein Vater zeigte mir ein Foto, vielleicht Polaroid, mein Vater fesch und charismatisch am Klavier, hinter ihm in
guter Stimmung, mit schimmernden Gläsern in der Hand, grinsende Orchester-Kollegen und die - "Balsens"
Gläser die mit einander anstießen.
...Flötenüben im Schlafzimmerschrank. Nur die Füße meines Vaters steckten seitlich aus der nur einen Spalt geöffnet
Schranktüre heraus, durch den Spalt schimmerte der matte Silberglanz seiner Traversflöle, aus der ebenso silberne Klänge entschwebten. Ich habe heute noch die Komplentär- Töne im Ohr,
der Rest meines Vaters war zwischen auf Kleiderbügel aufgehängten Jacken und seinem Konzertfrack intarsiert.
So wurde der Schlafzimmerschrank zu einem Ganzkörper-Schalldämpfer umfunktioniert, damit die Nachbarn nicht gestört wurden, doch wohl auch,
weil diese Nachbarn ja Kollegen waren, diese nicht unbedingt mitbekommen sollten, bei welche Flötensolis eines bevorstehenden Orchesterkonzerts, das meist am an einem Freitag gegeben
wurde, mein Vater noch sicherer und noch noch perfekter sein wollte, denn die Kollegen, waren die hinterhältigsten Kritiker, wenn beispielsweise bei Debussys „Nachmittag eines Fauns“ im
vollbesetzten Konzertsaal das Orchesters zum Pianissimo diminuierte, das berühmte Flötensolo einsetze, in Piano einen gleichmäßigen Atem erfordernd, während einem das Herz bis zum Halse
schlug…
Dienstags begangen die Proben und bis Freitagabend, war mein Vater in höchster nervlicher Anspannung, Woche für Woche, Jahr für
Jahr!
Eines Tages lag er mit einer Decke Tagsüber auf unserer Wohnzimmer-Couch, ein Kollege besuchte ihn, eine für mich ungewöhnliche, nicht
verständliche Scenerie...es fiel das Wort:"Nervenzusammenbruch".
Dieses Wort "Nerven" hatte für mich seit dem eine leicht unheimliche Bedeutung...
Später zeigte mir meine Mutter eine Ansichtkarte die mein Vater uns geschickt hatte, mit einem Kugelschreiber ist ein Kreuzl eingedrückt
worden, in die Glanzpapierabbildung eines schönen schlossartigen Gebäudes vor dunkelgrünem See, dort wo das Fenster war, hinter dem mein Vater ein Bett im
Krankenkassen-Erholungsheim Goldeck bewohnte...
Ein Konzert begann zu Hause des Öfteren mit einer verzweifelten Suche nach einem "Weißen Hemd" , welches; dem Umstand
geschuldet, dass meine Geigenspielende Mutter nicht unbedingt eine Vorbildliche Hausfrau war; manchmal etwas schwer aufzutreiben gewesen ist...
„Wo is mei weißes Hemd, i muas in Dienst"! Rief mein Vater hektisch…
Diese Worte sickerten in mich ein, und tauchten wieder auf bei der Frage: "...und welchen Beruf hat dein Vater? " ...alle schauten
mich erwartungsvoll an, meine neue Volksschullehrerin aus dem Sudetenland, die glaubte mir eine einfache Frage gestellt zu haben, meine frischgebackenen neuen Mitschüler, am ersten Schultag
1960, unter ihnen Hary Herzig der Sohn des Geigers aus dem 2.Stock der Siebenschläferstraße 29 Top 9 der schon 7 Jahre alt war und diese ihm zuvor gestellte gleichlautende Frage korrekt und
vorbildlich mit "Musiker" beantwortet hat!
Ich, den diese für mich unerwartete Frage etwas verwirrte, erinnerte mich an die Ausrufung oder vielleicht sollte man sagen Anrufung meines
Vaters : "I muaß in’n Dienst" und zimmerte daraus das Profil für das Berufsbild meines Vaters und antwortete: "Dienstmann"
Salzburg ist die Stadt steingewordener Spiritualität:
- Dom zu den Hll. Rupert und Virgil
- Stiftskirche St. Peter
- Bürgerspitalskirche St. Blasius
- Ursulinenkirche St. Markus
- Kajetanerkirche St. Maximilian
- Filialkirche zum hl. Michael
- Franziskanerkirche Zu Unserer Lieben Frau
- Kollegienkirche
- Sacellum
- Georgskirche
- St. Salvator-Kirche (nicht mehr bestehend)
- St.-Johannes-Kapelle der Pallottiner
- Schwarzenbergkapelle in der Residenz....
- Klosterkirche zum hl. Bonaventura (Kapuziner)
- Karl-Borromäus-Kirche (nicht mehr bestehend)
- St.-Sebastian-Kirche
- St. Maria Loreto
- St. Johannes am Imberg
- Altkatholische Schlosskapelle Mirabell...
...Das Allein nur in der Altstadt, dem Epizentrum katholischer Historie, gegründet vom heiligen Rupert; dessen Namenstag am 24.
September alljährlich von der Stadt mit Kirchtag, Blasmusik und Besäufnis eingehen gefeiert wird; wie Schwämme herausgewachsen, aus römischen Ruinen des einmaligen Juvavum, hier
wurden schon die ersten Christen verfolgt, die ihre Messen heimlich in den Katakomben, hinein gemeißelt in den Konglomerat, am Fuße des Mönchberges hielten, später vom Friedhof des Klosters
Sankt Peter umringt...
Insgesamt 50 Kirchen auf 150.ooo Einwohner!
Also mehr Kirchen pro Kopf als in Rom (ausgenommen Vatikan) !
In Stein gemeißelte Religiosität, oder steinerne Religiosität ?
"In den Jahren zwischen 1675
und 1690 wurden 153 Personen (weit überwiegend Buben und Burschen aus Bettlerkreisen) wegen angeblicher Zauberei hingerichtet...(Quelle: SalzburgWiki) Eigentlich müsste man auch für sie
"Stolpersteine" einrichten zusätzlich zu denen, die Auskunft geben über Opfer des naziphilen Salzburg...
"(Die 16Jährige) Maria Pauer, eine Dienstmagd in Mühldorf am Inn, wurde
am 27. Jänner 1750 wegen Hexerei festgenommen und im selben Jahr als
die letzte Hexe in Salzburg hingerichtet. (Quelle SalzburgWiki) Unter der Herrschaft von Fürsterzbischof Andreas_Jakob_von_Dietrichstein ...noch vier Jahre vor der Geburt des Wolferl
Amadeus...
Die zeitliche Nähe zu Mozarts Geburt, 27. Januar 1756 zu diesem
Ereignis, auf den Tag genau vier Jahre, merkt man seiner Musik nicht an, oder doch ?
Vier Jahre! Was sind schon vier Jahre!
Vielleicht hier eine Vergegenwärtigungübung:
Es ist nicht lange Jahre her, als religiöse Fanatiker Menschen verbrannten ...irgendwo in einem fernen Land... dieses Mal waren die
Fanatiker halt keine Christen... stellen wir uns vor, das wäre hier in Salzburg passiert, Menschen verbrannt vor dem Festspielhaus...und dann vier Jahre später wird hier
ein Musiker geboren, der kurze Zeit später einen Hit nach dem anderen schreibt . wie wäre seine Musik?
Vielleicht sollten wir daran denken wenn wir vor Mozarts Geburtshaus stehen, oder Mozartkugeln essen...
Nichts des to Trotz: Die zu Fürst-Erzbischöfen; das heißt zu Herrn über Hostie und sowohl auch Richtblock; mutierten Nachfolger Ruperts,
verdienten gut mit ihrer Salz-zu-Geld-Waschmaschine und dem ständigen Salznachschub aus dem Dürnberg zu Hallein und dem nie endendenwollenden Salzbedarf des Landes!
Man brauchte Salz ja nicht allein zum "versalzen" von Speisen, sondern, wesentlich wichtiger zum haltbar machen von Lebensmitteln, Fleisch,
Fisch und vieles mehr, in Ermangelung von Kühlschränken !
Und das kostet natürlich! Eh klar ! "Weißes Gold"! Es ist fast so, als wenn man in Salzburg einen Goldesel gehabt hätte... und
dann gab's da noch dazu auch einen einen guten Transportweg, einen Fluß, oder besser gesagt eine Ache, die nicht umsonst Salz-Ache oder besser Salzach hieß, die zwischen den
Stadtbergen floß, bei der man sich ansiedelte...
Katholischer Blutboden interessiert die Touristenschwärme kaum; sie entweihen Kirchen lieber durch heuschreckenartiges Überfallen,
keinem anderen Gott, als dem Gottes der Neugier verpflichtet, mitunter durch ihre Kleidung auch dem Gott omnipräsenter sinnentleerter sexueller Bereitschaft huldigend.... neurotisch
knipsend, schon wieder gehetzt zur nächsten Sehenswürdigkeit.
Aber unbestritten: Architektur die einem nichtrationalen Zweck dient ! Dessen nicht-rationalen barocken Rundungen sich gut
mit den Rundungen des Baumbestandes auf den Stadtbergen ringsum symbiotisierten...keine verdammten geraden Linien als Credo moderner Arichtektur...
Frage wo gibt es in der Natur eine gerade Linie ?!
All dies perlte an meinem Vater ab, wenn er auf seinem Rad, dass nicht mehr in dem besten technischen Zustand war, nach dem ich damit durch
die Lieferinger Au "ge-off-roaded" bin, zu seinem "Dienst" bei einem Festspielkonzert tretete.
Nicht dass er Ateist war... Er war nur der Meinung dass man bei keinem "Verein" sein müsse um zu Glauben, genau so wenig wie man nicht beim
Alpenverein sein muss, wenn man gerne am Berg geht; was ich schlüssig fand, später resümierte ich allerdings für mich: was wenn man am Berg in Not gerät ?
Möglicherweise könnte sein sozialistischer familiärer Hintergrund ein Indikator zum Verständnis des im obigen Absatz Erwähnten
sein.
Kirche und Sozialdemokraten standen ja zueinander lange wie Katze und Hund...
Nun mein Vater war Sozialist der zweiten Österreichischen Republik.
Die blutigen Konflikte zwischen Sozialdemokraten und Christlich-sozialen, in der ersten Republik in die sein Vater,
mein Großvater, Johann Schwarzbauer als Gewerkschaftsboss der Tiroler Eisenbahner involviert war, waren im Großen und Ganzen beigelegt, denn man hatte dazugelernt, durch gemeinsame
Erfahrungen im KZ.
Erfahrungen die meinem Großvater erspart blieben, er starb schon vor der Errichtung von Nazi-KZ's in Österreich, am Tag der
Machtergreifung Hitlers in Österreich am 13. März 1938, aber nicht als Konsequenz daraufhin, was nachvollziehbar wäre, sondern er starb an den Folgen einer Lungenentzündung, die wiederum
eine Spätfolge seines in der Jugend ausgeführten Berufes als Heizers; auf einer offenen Dampflok über den Arlbergpass, bei jedem Wetter, kohleschaufelnd, den eisigen Fahrtwind im Rücken,
durch die Gebirgskälte der Alpen, schwitzend vor sich den Glutofen, der den Dampfkessel zum Sieden bringt.
Mein Vater erzählte mir über seinen Vater: "Während seine Kollegen in den Pausen Karten spielten, bildete er sich fort
..."
In den zwanziger Jahren war er der gefürchtete Boß der Tiroler Eisenbahner Gewerkschaft. Meine Tante erzählte, es hieß " ...wenn
der Schwarzbauer seine Löwenmähne schüttelte und seine Stimme erhebt, dann erzitterte..."
Er war beliebtes Angriffsziel in der Konservativer Presse:
"Allgemeiner Tiroler Anzeiger" Freitag 26. August 1927
"FRECHE SOZIALDEMOKRATISCHE EINGRIFFE IN DIE RECHTE DER BUNDESBAHNVERWALTUNG"
.....Der Gewaltige der Bundesbahndirektion Herr Schwarzbauer...
Hier der ganze Artikel:
In dem Artikel "NACHKLÄNGE ZUM EISENBAHNERSTREIK" wird ihm Machtdünkel vorgeworfen...
Im großen und ganzen aber geht es hier darum, die brutale Niederschlagung eines Streik und das mit Füßen treten des Streikrechts, durch die
Gendarmerie und die paramilitärische Schägerbande des Prälaten-Kanzlers Ignaz Seipel, die "Heimwehr", zu feiern...
Hier der ganze Artikel:
Ü
Beide Artikel standen im Zusammenhang mit den Ereignissen rund um den Justizpalastbrand, die die Explosivität der politischen
Verhältnisse zeigen, in den mein Großvater agieren musste...
"Julidemonstration. Das Urteil im Schattendorfer
Prozess führte am 15. Juli 1927 zu Massendemonstrationen in Wien und schließlich zum Justizpalastbrand.
Schattendorf
Am 30. Jänner 1927 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Schutzbündlern und Frontkämpfern im burgenländischen Schattendorf. Gegen 16 Uhr
schossen die Frontkämpfer Hieronimus und Josef Tscharmann sowie Johann Pinter ohne ersichtlichen Grund in eine Gruppe vorbeimarschierender Schutzbündler, verletzten fünf Personen schwer und
töteten den achtjährigen Josef Grössing und den 40-jährigen Kriegsinvaliden Matthias Csmarits. Der Schwurgerichtsprozess fand in der ersten Julihälfte 1927 in Wien statt und endete mit einem
Freispruch der durch Indizien schwerst belasteten Täter.
Zur angespannten innenpolitischen Situation kam ein politisch motivierter
Prozess in den USA, wo wenige Monate zuvor die Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti nach einem jahrelangen Prozess wegen doppelten Raubmordes zum Tode verurteilt worden waren. Trotz
fragwürdiger Indizien und entlastenden Zeugenaussagen hielt die Justiz an ihrem Urteil fest. Aufgrund der offensichtlichen Parteilichkeit des Richters kam es zu heftigen internationalen
Protesten, die auch in Wien ihren Widerhall fanden. Noch am 11. Juli berichtete die Arbeiterzeitungausführlich über den Fall. Das Urteil im Schattendorfer Prozess verstärkte den Eindruck einer politisch motivierten Klassenjustiz, die sich gegen die
Arbeiterschaft richtete.
Demonstrationen
Der Chefredakteur der Arbeiterzeitung verfasste für die Morgenausgabe des 15.
Juli einen in aller Deutlichkeit und schärfsten Worten gehaltenen Leitartikel gegen das offensichtliche Fehlurteil im Schattendorfer Prozess und warnte vor dem "schweren Unheil", das aus dem
fortgesetzten Versagen der Justiz und der permanenten Verletzung fundamentalsten Rechtsempfindens entstehen müsse. Die Bediensteten der Städtischen Elektrizitätswerke traten um 8 Uhr in
den Streik. Zur gleichen Zeit befanden sich bereits Tausende Demonstranten auf dem Anmarsch ins Stadtzentrum. Die spontan, ungeordnet und ohne Ordnerassistenz aus den Betrieben heranziehenden
Massen trugen improvisierte Transparente mit Parolen wie "Protest dem Schandurteil" oder "Wir greifen zur Selbsthilfe" mit sich.
Gegen 9.30 Uhr ließ der überraschte und völlig überforderte Leiter des
Polizeieinsatzes eine erste Reiterattacke gegen die Demonstranten unternehmen. Bis 11 Uhr hatte sich die mittlerweile unübersehbare Menge mit Steinen, Holzlatten und Eisenstangen bewaffnet und
geriet in schwere Auseinandersetzungen mit den planlos vorgehenden Polizeieinheiten. Die Auseinandersetzungen konzentrierten sich um das Rathaus und den Justizpalast (Schmerlingplatz). Die Sozialdemokratische Arbeiterparteimobilisierte den
Schutzbund ohne Bewaffnung, wodurch dieser zwischen die Fronten geriet und die ihm zugedachte Ordnerfunktion in keiner Weise erfüllen konnte.
Justizpalastbrand
Einzelne Demonstranten erstürmten den Justizpalast, das verhasste Symbol der Klassenjustiz. Um 12.28 Uhr wurde
die Feuerwehr von der Brandlegung verständigt. Gerüchte, wonach es
sich dabei um bewusst agierende Mitglieder anarchistischer Gruppen gehandelt habe, konnten von der Forschung niemals verifiziert werden. Erst aufgeregte Interventionen seitens der
sozialdemokratischen Parteiführung, darunter Bürgermeister Karl Seitzund
Dr. Julius Deutsch, ermöglichten den Löschzügen ein langsames
Durchkommen durch die tobende Menge. Die von Polizeipräsident Johann
Schober mobilisierten Einheiten gingen in Panik und mit äußerster Brutalität vor, wogegen es einer Schutzbundeinheit unter Theodor Körner gelang, Richter, Beamte und Polizisten vor
der Lynchjustiz zu retten.
Um 14.30 Uhr gab Schober Schießbefehl, worauf die Umgebung des Justizpalastes
mit unvorstellbarer Grausamkeit "gesäubert" wurde. Die Bilanz der Unruhen waren 89 Tote, davon vier bei der Sicherheitswache. Über 1.000 Demonstranten und 120 Polizisten wurden schwer verletzt.
Österreich stand an der Schwelle zum Bürgerkrieg. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und die Gewerkschaften kamen in Sondersitzungen überein, für den 16. Juli einen eintägigen Verkehrsstreik zu proklamieren, der allerdings (vor allem in den
Ländern) durch den Einsatz der paramilitärischen Heimwehren schnell gebrochen werden konnte. Am 17. Juli verkündete die Exekutive, in ganz Wien herrsche wieder Ruhe."
Die Absolution des Geiger Herzig.
Aber vielleicht noch einmal zurück zur Tournee des Mozarteum Orchesters, durch Deutschland, nach Hanover und der Party auf die
die Musiker eingeladen waren, mein Vater auf dem Klavier spielte, Wiener Drogenlieder sang, zb wie eben oben schon geschildert: "Ich hob mir für Grinzing einen Dienstmonn
ongaschiert" und vieles mehr; wie alle meinem Vater mit klingenden Gläsern zu prosteten...
Das Glas des Geigers Herzig suchte auch immer das Glas meines Vaters mit dem Versuch es anzustoßen, schließlich gab es
mein Vater auf, diesem Versuch auszuweichen: "…na gut "sagte er und stieß mit ihm an "...aber mochn's so was nie wieder!"
Hinter dieser Aussage steckte eine längere Geschichte:
Einmal besuchte ich Hary, den Sohn des Geigers Herzig, in der Wohnung der Herzigs im 2.Stock Tür 9 in der Siebenschläferstraße 29 ,
eher ungewöhnlich, war ich doch hauptsächlich bei den Malys, im 1.Stock Tür 5 der Siebenschläferstraße, Hein besuchen... Hein und ich spöttelten insgeheim über Hary, der meistens zuhause saß und
von seinem Vater aus brav Geige übten musste.
Hein und ich empfanden uns als die "Freien". Sicher Hein musste immer pünktlich zum Essen erscheinen, da war seine Mutter
kompromisslos! Wenn Hein sich nicht an diese Vorgabe hielt schickte seine Mutter den älteren Bruder Hellfried aus, der Hein dann "abführte" und dabei seine neuesten Tschiujizu
Techniken übte.
Ich musste nicht einmal das, rechtzeitig zum Essen erscheinen, meine ich, kann mich nicht erinnern, dass wir fixe Essenszeiten
hatten?!
Dennoch hatte ich Lieblingsspeisen, Eiernockerl mit Spinat zum Beispiel, ungewöhnlich für ein Kind, denke ich heute, aber ich liebte
die Farben: die Eiernockerl wie Sonnen beleuchtete Kumulus Wolken und das unbestechliche Grün des Spinats ... ergänzten sich geschmacklich im Mund...
Die leicht bittere Note des Spinats wurden durch den beinahe dümmlichen Geschmack lachender Nocker gemildert und zu etwas
Neuem...
Die Lieblingsspeise meines Vaters haßte ich und konnte mir den ganzen Tag verderben:"Gefüllte Paprika"
Allein wenn ich von der Schule nach Hause durch die Wohnungstür im 3.Stock Tür 10 kam, wurde mir von dem Geruch schon so übel, dass
mir beinahe der Wohnungsschlüssel aus der Hand glitt, oder besser gesagt mein Dietrich, den ich mir selbst aus einem 100er Nagel (oder war es ein 50er, weiß nicht mehr so genau) geformt
hatte, meinen Eltern ist das nie aufgefallen.
In den Wohnungen der "Neuen Heimat" gab es zu der Zeit keine komplizierten Schlösser, kein Vergleich mit den Heutigen... Auch in der
Haustüre, die allerdings sowieso immer offen stand...
Mein Vater hatte dafür eine Knoblauch Fobie, beim Geruch von Knoblauch bekam er förmlich Angstzustände, wehe wenn meine Mutter Knoblauch
beim Kochen verwendete, WEHE. Darum kochte sie „Gefüllte Paprika"
Heutzutage bin ich ein Knoblauch-Junky ...
Aber ich bin etwas abgekommen...also:
Einmal besuchte ich Hary, den Sohn des Geigers Herzig wiegesagt etwas ungewöhnlich, da holte mich meine Mutter ab, noch ungewöhnlicher...
schon als wir die Stiegen vom 2.Stock der Tür Nr.9 in den 3.Stock Tür Nr. 10 hinauf stiegen, schimpfe meine Mutter herum, auch was seltenes: "warum bist du denn bei denen..." im langen Flour der
Wohnung im 3. Stock Tür 10 ging’s weiter so in der Art, im Zigarettenrauch verhangenen Wohnzimmer mein Vater:"...wenn ich als Betriebsrat der in seiner Freizeit für seine Kollegen arbeitet bei
Besprechungen mir den Kaffee auch noch selber zahlen soll dann sch.... ich drauf!!"
Der geigenspielende Herzig als begabter Erbsenzähler hatte Kollegen als dem Kreise Chefkonforme Musiker um sich geschart und
Spesenabrechnungen des Betriebsrates als Vorwand benutzt meinen Vater zum Rücktritt zu zwingen... Was auf Dauer nichts Nützte denn mein Vater wurde bald als Betriebsrat wiedergewählt, zum
Schrecken des Chefs; Gastdirigenten gaben sich wie bei einem Staffellauf die Warnung weiter: bei dem auf der ersten Flöten müssn's aufpassen...
Mein Vater steigerte sich in Rasche. " Mit mit dem red i ka Wort mehr!! denn I werd'n schneidn... !!" ...
Was heißt "schneid'n"? : Verachtendes, jemanden weder anschau'n, ihn nicht grüßen, so tun als ob er nicht da wäre,
ignorieren, der Schlagwerker des Orchesters , in Türnummer 8 im zweiten Stock der Siebenschläferstraße 29 witzelte gerne: "ned a moi ignoniern (nicht einmal
ignorieren)"
Das tat mein Vater auch und er zog das mehre Jahre durch... bis eben zu oben erwähnten Anstoßen, (was ja im Eigentlichen eine Friedensgeste
ist) mit Herzig, begleitet von eben der Aussage: "Na gut " ...aber mochn's so was nie wieder!"
Mit dem Anstoßen wurde der Bann des Schneid'ns (und allem was dazugehört) aufgehoben...
Die Absolution des Geigers Herzig...
(Vielleicht hier noch als kleinen Nachschlag ein bisschen was über Bläser und Geiger in dieser Zeit und in dieser
Geschichte...)
-Geiger, je näher ihre Pulte dem Dirigenten standen um so braver, lachten zb. über die Witze des
Dirigenten...
-Bläser zb. 1. Flöte, Sarkastisch," ah! Chef macht Witze, alles Lacht"
-Geiger, gingen nach dem Konzert brav nach Hause...
-Bläser, trafen sich zu einem längerem Umtrunk im zb: "Zu den 3 Hasen", “Krimpelstätter")
Musste mein Großvater als Gewerkschaftsboß in der 1.Repubik noch mit harten Bandagen kämpfen, in einem politischen Umfeld, wo man
unter Umständen sogar sein um sein Leben fürchten musste; konnte mein Vater seine Funktion eines Betriebsrates in der 2. Republik in einer wesentlich
temperatierteren Atmosphäre ausüben, freilich: Intrigen wie in der Episode "Die Absolution des Geigers Herzog" geschildert, lagen in der Natur jedes künstlerischen Betriebes,
wie das Mozartteum Orchester in Salzburg eins war und ist, aber niemand wurde erschossen, nichts angezündet !
Meines Vater Verständnis von seinem Betätigungsfeld als Betriebsrat des Orchesters bestand in erster Linie darin, die Machtdünkel, von Chef-
und Gastdirigenten, die sich gelegentlich im beleidigenden Tonfall bei Proben gegenüber der Musiker manifestierten, zu zügeln!
In solchen Fällen mutierte der 1. Flötist zum Betriebsrat, stand hinter seinem Pult auf, erhob seinen Zeigefinger und seine Stimme: "Meine
Herrn! 15 Minuten Pause!"
Nicht selten wurde der Dirigent in einem Nebenkammerl von dem Betriebsrat in Punkto höfliche Umgangsformen gebrieft"
Im Laufe der Zeit entwickelte mein Vater ein feines Gehör für chefliche Umgangstöne, und zwar so fein, dass selbige nur allein und von
niemandem anderem als von meinem Vater wahrgenommen wurden und bei seinen Kollegen Reaktionen wie:"...wo’s woar jetzt eigentlich... wo’s hot' er denn..." auslösten...
...Aber auch für Lohnverhandlungen war mein Vater und sein Betriebsrat-Team zuständig und dabei gab es keine Toten und kam zu keinen
Bränden, nein manchmal kam es sogar zu witzigen Vorfällen...
Mein Vater hatte ja immer eine Vorliebe Worte scherzhaft zu verdrehen, zu vertauschen....
Eine bei meinem Vater beliebte Wortverdrehung war: "Protestiere" zu "Prostituiere"...
In seiner Funktion als Wirtshauskomödiant, den Satz " Meine Herrn ich prostituiere!" in Jedemann-Manier und Gestus eines dramatischen
Bühnenschauspieler dargebracht, trug verläßlich zum humoristischen Erfolg bei, sowie rotgesichtiges Gelächter, fettglänzender Backen am bierfeuchten Wirtshaustisch
!
Mein Vater hatte normalerweise nie Humor mit einem zum Hang zu Worten, die, wenn sie geschrieben wären , sozusagen
sie mit unsittlicher Tinte geschrieben wären, ganz schweigen von "Schlüpfrigen Witzen"
Ich erinnere mich noch deutlich an Briefträgerjonny, einem Stammgast in den "3Hasen", er verehrte meinen Vater sehr und vielleicht wollte er
ihm zeigen, dass auch er Humor hat, als er ihm ein kleines Faltbild zeigte, in Postkartengröße mit einem humoristisch gemalten Napoleon, in typischer Haltung, rechte Hand in die linke
Hälfte der Uniformjacke gesteckt...
"Pertl," sagte er, was glaubst du, ist der wahre Grund warum, Napoleon die Hand in die Uniform steckte? Dann blätterte er die
Vorderseite des kleinen Faltbildes um, auf den 1.Blick sah man auf Seite 2 keinen Unterschied zu Seite 1, sie zeigte Napoleon detto wie auf der ersten Seite, doch schon unmittelbar
danach, im beinahe dem selben Moment, auf den 2. Blick wurde einem gewar, die linke Hälfte der Uniformjacke war weit aufgeknöpft, man sah wie Napoleon einen prächtigen
erregierten Phallus, der ihm bis zur Brust reichte, in der rechten Hand hielt, genau die Hand die auf Seite 1 unter dem geschlossenen linken Teil der Uniformjacke steckte...
Brieftägerjonny vollführte die Bewegung des Umblättern so, dass es so wirkte, als ob er die Uniformjacke Napoleons in einer Bewegung
öffnen würde, wie bei einem zweiblättrigen Daumenkino und dann - "Überraschung!"
Briefträgerjonny zwinkerte meinen Vater schnippisch grinsend erwartungsvoll an ...doch mein Vater schien nicht
begeistert...
Interessanterweise war Briefträgerjonny Napoleon äußerlich ähnlich, in Körpergröße, Frisur und sogar die Augen... charakterlich ganz
anders: sanft und gefühlvoll, gutmütig, an seinem weichen Dialekt konnte man seine lungauerische Herkunft erkennen.
In die Stadt war er gezogen um hier, als Briefträger zu arbeiten, ein Beruf den er mit großer Liebe ausübte...
Er liebte es, mit den Menschen, denen er die Post zustellte, zu Reden und die Menschen liebten ihn, alte Damen luden ihn zu Kaffee und
Kuchen ein, nachdem er ihnen ihre Pensionen zur Wohnungstür hinaufbrachte und Briefträgerjonny ließ seinen Charme spielen, er war im ganzen Rejon beliebt!
Es war klar dass er zum Austragen der Post doppelt so lange brauchte wie seine Kollegen, doch das war ihm egal, denn "Briefträger" war
Briefträgerjonnys Mission.
Eines Tages, wieder einmal in den "3Hasen" fanden wir Briefträgerjonny aufgelöst in, völliger Verzweiflung vor!
Er war in ein anderes Rajon versetzt worden!
Er war Verzweifelt, den Tränen nahe, denn er wusste das bedeutete, er war von allen Menschen, die ihm Sinn in seinem Leben
gaben und die er bei seiner täglichen Arbeit sah, abgschnitten ...
Später hörte ich, er hat sich das Leben genommen...
Prost und Prostata! Zelebriert beim Anstoßen, eine weitere beliebte Wortverdrehung, von meinem Vater...oder
halt, verwechsle ich ihn da mit jemandem Anderen? Kann ich jetzt nicht ganz ausschließen...
Perser und Perverser hatte nichts mit Rassismus zu tun.
Ich allerdings wäre am liebsten im Boden versunken, mit meinem Magen voran, zumindest versank ich genauso tief in meinem Sessel,
wie alle anderen Gäste und das waren nicht wenige, an dem langen Tisch, der im Garten aufgebaut wurde.
Mehrere Klapptische aneinander, Leintücher als Tischdecke, ein warmer Spätnachmittag.
Mein Cousin Hellmut in Graz, Sohn von Alfons, meinem Onkel, dem jüngsten Sohn von Johann Schwarzbauer, war stolz auf
meinen Vater, hatte alle seine Freunde eingeladen, um ihnen Rupert seinen Onkel vorzustellen!
Aber es wollte so keine rechte Stimmung aufkommen, zumindest nicht, nach dem Empinden meines Vaters, das konnte schon mal passieren und
immer wenn es das Tat, fühlte sich mein Vater verpflichtet einzugreifen, seine ganze Witztrick Kiste auszupacken!
Doch da gab es ein Problem, Hellmuts Freunde waren eine andere Generation:
Die 68ger.
Bei ihnen stieß Vaters humoristischer Charme auf taube Ohren, wirkte "Old School", verstaubt, peinlich, lachen wurde zum Zwang, zur
höflichen Herausforderung, sie bemühten sich, immerhin war es ja der Onkel, von dem Hellmut ihnen so vorgeschwärmt hat und weswegen er sie eingeladen hat...
Aber dadurch wurde die Sache noch schlimmer, die Stimmung sank kontinuierlich...
Doch mein Vater gab nicht auf, er gab sein Bestes - vergeblich...
Ganz vorne am langen Tisch, nahe bei meinem Vater und mir, Hellmut und seiner Frau Elisabeth , saß ein guter Freund von den
beiden, er kam aus dem Iran, damals noch Persien und folglich „Perser"...
Nachdem mein Vater in der Not, seiner selbstgewählen Funktion als Alleinunterhalter gerecht werden zu müssen, seine "Perser-Perverser"
Wortverdrehung einzusetzen sich bemüßigt fühlte - sank die Stimmung schneller als die Aktienkurse an der Wallstreet, nach 9/11!
Er wollte niemand verletzen, sein Humor war nie zynisch im Gegenteil, er wollte immer nur Stimmung in eine Runde bringen, das
war seine Mission!
Er war unbedarft, ich finde, der Clown der reinen Herzens, ist frei von Schuld...(auch wenn es manchmal verdammt anstrengend
war)!
... Etwas das mein Vater mit so manchen Männern der Kriegsgeneration damals gemein hatte:
Keine Berührungsängste mit, Humor aus dem Genre des "Fäkal-Witzes"
Ich erinnere an die Geschichte:" Drei Enten gehen über eine Brücke, wollen aber nicht auf die Brücke hingakken...."
Zu dieser Zeit war noch ein bisschen davon übrig davon, was herübergerettet war, aus einer Zeit ohne Fernsehen, in der es viel mehr
üblich war, als heute, im geselligen Besammensein sich gegenseitig mit Anekdoten, zu unterhalten, gemeinsam Lieder zu singen, Gedichte vorzutragen und vieles mehr, gewissenmaßen die Äquivalenz
des "Einfachen Volkes" zu den Salons in "Gehobenen Kreisen"...
Wenn Deftiges am Programm stand, wurde das verschmitzt kichernd rezipiert und begierig aufgenommen...
Vielleicht war es die jahrhundertlange christliche Erziehung die alles unterhalb der Gürtellinie des menschlichen Organismuses
befindliche tabuisierte und letztlich gerade dadurch die Sinne dafür schärfte, selbst wenn der Alkohol die selbigen wieder vernebelte, was aber andrerseits eine Enthemmung
begünstigte, die Tabus lockerte...
Fäkallastige Witze fungiert als Ventil, zu regulieren, was über Generationen ünterdrückt wurde, auch wenn sehr oft dümmlich und sogar
bizarr war, eben "stinkend"
Beliebt waren Parodien auf Klassiker!
So zb die Parodie auf Friedrich Schillers "Der Taucher" von Otto Breuker, sie war das Parade Pferd im humoristischen Programm meines
Vaters:
Den Patos eines Will Quadfliegs parodierend, (unter allgemeinen gekichere der "feuchten" Runde), dramatisch, den rechten Arm weit im
theatralischem Gestus ausholend, hebt er an - dann ein kurzes Absetzen - eine komische Grimasse ziehen, (gekickere steigert sich) dann erhebt der "König" in allerhöchster Dramatik seine
Stimme, aber nicht wie im Original, wo es heißt:
»Wer wagt es, Rittersmann oder
Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich
hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze
Mund.
Wer mir den Becher kann wieder
zeigen,
Er mag ihn behalten,
er ist sein eigen.«
Der König spricht es und wirft von der
Höh
Der Klippe, die schroff und steil usw.
also nicht so, sondern:
Wer wagt es Rittersmann oder Knapp’,
zu tauchen in diese Scheißgrube hinab.
Na wagt es keiner von Euch allen,
mir ist nämlich die Uhr in die Scheiße gefallen.
Die Ritter, die Knappen und die Frauen,
alle mit Entsetzen in die Grube schauen,
Selbst der Hausknecht, sonst ein ganz verwegner Mann,
schaut mit Entsetzen die Grube an.
Und indem er die Hose von sich streckt,
plumps ist er weg.
Hoch im Bogen spritzt der Dreck.
Oh, armer Mann, so hörts man’s klagen,
muss für fünf Gulden sein Leben wagen.
Da ist er weg.
Der ist sicher erstickt im Dreck!
Doch was rudert mit kräftigem Arm die Scheiße?
Es ist der Hausknecht,
in seiner Linken
hält er die Uhr mit freudigem Winken.
Dann tritt er hinaus,
ganz dreckig und braun,
und konnte vor Scheiße kaum aus den Augen schaun!
Da sprach er
dort hinunter geh’ ich nimmer —
dort gibt’s Trümmer!
Dort war es mosig oder weich,
bald war es wie Sirup oder Teig!
Und dort unten in dem Mistgebet,
da wo der Dreck am dicksten steht,
da fand ich die Uhr nach kurzem Suchen.
Da sprach der Hausherr,
brav, mein Junge,
die Uhr, die hast Du gefunden,
aber mein Schlüssel liegt noch unten.
So wahr ich Lehmann heiße,
zahl’ ich Dir noch mal fünf Gulden zum Preise,
wenn Du mir holst den Schlüssel aus der Scheiße.
Da sprach der Hausknecht, ganz grob und barsch,
ne Männeken, da leck mich doch lieber am Arsch!
(Quelle: http://hans1938.de/dertaucher.htm )
Da ich mich an den Text nur mehr bruchstückhaft erinnern konnte, habe ich im Internet recherchiert und wurde fündig...hat zwar nicht 100%ge
"Autenzität" irgendwo fehlt "zum Schluss, welch ein Mißgeschick, schiss mir einer ins Genick", aber ich denke im Großen und Ganzen ziemlich ähnlch dem, der väterlchen Interpretation die ich
diffus in Erinnerung habe...
Noch etwas taucht fragmentarisch in meiner Erinnerung auf:
Strophe: Ja und des Fräumarie, das stinkt so wie noch nie, weil sie seit vierzehn Tog, schon keinen Stuhlgang hat...
Auf amoi macht’s an kroch,
da Dreck fliagt übas Doch und reißt die Schindln weg, der gonze Dreck hey oh!
Refrain: ....des Dreck- und Scheiß und Oasch Papier des kommt daher ma was net wia, die Musi spüt, die Musi spüt, die Musi des Fischerliad
...
Eine bei meinem Vater beliebte Wortverdrehung war eben wie oben schon erwähnt: "Protestiere" zu
"Prostituiere"...
In seiner Funktion als Wirtshauskomödiant den Satz " Meine Herrn ich prostituiere!" in Jedemann-Manier und Gestus eines dramatischen
Bühnenschauspieler dargebracht, trug verläßlich zum humoristischen Erfolg bei, sowie rotgesichtiges Gelächter fettglänzender Backen am bierfeuchten Wirtshaustisch !
Bei Lohnverhandlungen meines Vater in seiner Funktion als Betriebsrat mit Subventionsgebern
gab es keine Toten zu keinen Brände mehr, wie zu Zeiten meines Großvaters , nein manchmal kam es sogar zu witzig-skurrile
Vorfällen...zu Erleichterung meine Vaters von niemand anderem als von ihm selbst bemerkt, als er spürte wie ein "Meine Herrn ich prostituiere" anstatt eines "Ich protestiere", der Macht der
Gewohnheit zur Wortverdrehung folgend, seine Lippen verließ um nicht wiederzukehren...
Aber nochmal zurück zu Schiller...
"Wer wagt es,
Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen
Schlund?
Einen goldnen Becher
werf ich hinab,
Verschlungen schon hat
ihn der schwarze Mund.
5
Wer mir den Becher
kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten,
er ist sein eigen.
Der König sprach es,
und wirft von der Höh
Der Klippe, die
schroff und steil
Hinaus hängt in die
unendliche See,
10
Den Becher in
der Charybde Geheul.
Wer ist der Beherzte,
ich frage wieder,
Zu tauchen in diese
Tiefe nieder?
Und die Ritter, die
Knappen um ihn her,
Vernehmens und
schweigen still,
15
Sehen hinab in das
wilde Meer,
Und keiner den Becher
gewinnen will.
Und der König zum
drittenmal wieder fraget:
Ist keiner, der sich
hinunter waget?
Doch alles noch stumm
bleibt wie zuvor,
20
Und ein Edelknecht,
sanft und keck,
Tritt aus der Knappen
zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft
er, den Mantel weg,
Und alle die Männer
umher und Frauen
Auf den herrlichen
Jüngling verwundert schauen.
25
Und wie er tritt an
des Felsen Hang,
Und blickt in den
Schlund hinab,
Die Wasser, die sie
hinunter schlang,
Die Charybde jetzt
brüllend wiedergab,
[121]
Und wie mit des fernen
Donners Getose
30
Entstürzen sie
schäumend dem finstern Schoose.
Und es wallet und
siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit
Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel
sprützet der dampfende Gischt,
Und Flut auf Flut sich
ohn Ende drängt,
35
Und will sich nimmer
erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer
noch ein Meer gebähren.
Doch endlich, da legt
sich die wilde Gewalt,
Und schwarz aus dem
weißen Schaum
Klafft hinunter ein
gähnender Spalt,
40
Grundlos als giengs in
den Höllenraum,
Und reissend sieht man
die brandenden Wogen
Hinab in den
strudelnden Trichter gezogen.
Jetzt schnell, eh die
Brandung zurückekehrt,
Der Jüngling sich Gott
befiehlt,
45
Und – ein Schrey des
Entsetzens wird rings gehört,
Und schon hat ihn der
Wirbel hinweggespült,
Und geheimnißvoll über
dem kühnen Schwimmer
Schließt sich der
Rachen, er zeigt sich nimmer.
Und stille wirds über
dem Wasserschlund,
50
In der Tiefe nur
brauset es hohl,
Und bebend hört man
von Mund zu Mund:
Hochherziger Jüngling,
fahre wohl!
Und hohler und hohler
hört mans heulen,
Und es harrt noch mit
bangem, mit schrecklichem Weilen.
55
Und wärfst du die
Krone selber hinein,
Und sprächst: wer mir
bringet die Kron’,
Er soll sie tragen und
König seyn,
Mich gelüstete nicht
nach dem theuren Lohn,
Was die heulende Tiefe
da unten verhehle,
60
Das erzählt keine
lebende glückliche Seele.
Wohl manches Fahrzeug,
vom Strudel gefaßt,
Schoß gäh in die Tiefe
hinab,
Doch zerschmettert nur
rangen sich Kiel und Mast,
Hervor aus dem alles
verschlingenden Grab.
65
Und heller und heller
wie Sturmes Sausen
Hört mans näher und
immer näher brausen.
Und es wallet und
siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit
Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel
sprützet der dampfende Gischt,
70
Und Well’ auf Well’
sich ohn Ende drängt,
Und wie mit des fernen
Donners Getose
Entstürzt es brüllend
dem finstern Schoose.
Und sieh! aus dem
finster flutenden Schooß
Da hebet sichs
schwanenweiß,
75
Und ein Arm und ein
glänzender Nacken wird bloß
Und es rudert mit
Kraft und mit emsigem Fleiß,
Und er ists, und hoch
in seiner Linken
Schwingt er den Becher
mit freudigem Winken.
Und athmete lang und
athmete tief,
80
Und begrüßte das
himmlische Licht.
Mit Frohlocken es
einer dem andern rief,
Er lebt! Er ist da! Es
behielt ihn nicht.
Aus dem Grab, aus der
strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet
die lebende Seele.
[125]
85
Und er kommt, es
umringt ihn die jubelnde Schaar,
Zu des Königs Füßen er
sinkt,
Den Becher reicht er
ihm knieend dar,
Und der König der
lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit
funkelndem Wein bis zum Rande,
90
Und der Jüngling sich
also zum König wandte:
Lang lebe der König!
Es freue sich,
Wer da athmet im
rosigten Licht.
Da unten aber ists
fürchterlich,
Und der Mensch
versuche die Götter nicht,
95
Und begehre nimmer und
nimmer zu schauen
Was sie gnädig
bedecken mit Nacht und Grauen.
Es riß mich hinunter
Blitzesschnell,
Da stürzt’ mir aus
felsigtem Schacht,
Wildflutend entgegen
ein reissender Quell,
100
Mich pakte des
Doppelstroms wüthende Macht,
[126]
Und wie einen Kreisel
mit schwindelndem Drehen,
Trieb michs um, ich
konnte nicht widerstehen.
Da zeigte mir Gott, zu
dem ich rief,
In der höchsten
schrecklichen Noth,
105
Aus der Tiefe ragend
ein Felsenrif,
Das erfaßt’ ich behend
und entrann dem Tod,
Und da hieng auch der
Becher an spitzen Korallen,
Sonst wär er ins
Bodenlose gefallen.
Denn unter mir lags
noch, Bergetief,
110
In purpurner
Finsterniß da,
Und obs hier dem Ohre
gleich ewig schlief,
Das Auge mit Schaudern
hinunter sah,
Wies von Salamandern
und Molchen und Drachen
Sich regte in dem
furchtbaren Höllenrachen.
[127]
115
Schwarz wimmelten da,
in grausem Gemisch
Zu scheußlichen
Klumpen geballt,
Der stachlichte Roche,
der Klippenfisch,
Des Hammers gräuliche
Ungestalt,
Und dräuend wies mir
die grimmigen Zähne
120
Der entsetzliche Hay,
des Meeres Hyäne.
Und da hieng ich und
war mirs mit Grausen bewußt,
Von der menschlichen
Hülfe so weit.
Unter Larven die
einzige fühlende Brust,
Allein in der
gräßlichen Einsamkeit,
125
Tief unter dem Schall
der menschlichen Rede
Bey den Ungeheuern der
traurigen Oede.
Und schaudernd dacht
ichs, da krochs heran,
Regte hundert Gelenke
zugleich,
Will schnappen nach
mir, in des Schreckens Wahn
130
Laß ich los der
Koralle umklammerten Zweig,
[128]
Gleich faßt mich der
Strudel mit rasendem Toben,
Doch es war mir zum
Heil, er riß mich nach oben.
Der König darob sich
verwundert schier,
Und spricht: Der
Becher ist dein,
135
Und diesen Ring noch
bestimm ich dir,
Geschmückt mit dem
köstlichsten Edelgestein,
Versuchst dus noch
einmal und bringst mir Kunde,
Was du sahst auf des
Meers tiefunterstem Grunde?
Das hörte die Tochter
mit weichem Gefühl,
140
Und mit schmeichelndem
Munde sie fleht:
Laßt Vater genug seyn
das grausame Spiel,
Er hat euch bestanden,
was keiner besteht,
Und könnt ihr des
Herzens Gelüsten nicht zähmen,
So mögen die Ritter
den Knappen beschämen.
[129]
145
Drauf der König greift
nach dem Becher schnell,
In den Strudel ihn
schleudert hinein,
Und schaffst du den
Becher mir wieder zur Stell,
So sollst du der
treflichste Ritter mir seyn,
Und sollst sie als
Ehgemahl heut noch umarmen,
150
Die jetzt für dich
bittet mit zartem Erbarmen.
Da ergreifts ihm die
Seele mit Himmelsgewalt,
Und es blitzt aus den
Augen ihm kühn,
Und er siehet erröthen
die schöne Gestalt,
Und sieht sie
erbleichen und sinken hin,
155
Da treibts ihn, den
köstlichen Preiß zu erwerben,
Und stürzt hinunter
auf Leben und Sterben.
[130]
Wohl hört man die
Brandung, wohl kehrt sie zurück,
Sie verkündigt der
donnernde Schall,
Da bückt sichs
hinunter mit liebendem Blick
160
Es kommen, es kommen
die Wasser all,
Sie rauschen herauf,
sie rauschen nieder,
Den Jüngling bringt
keines wieder.
( Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Der_Taucher )
Während der Recherchen nach Vaters kotiger Taucher-Version stieß ich auf Schillers schillernde Verse und dachte, ich bin's ihm, dem
Schiller, schuldig, ihn hier noch einmal in seiner Originalfassung zu Wort kommen zu lassen, mit seiner wunderbaren bildhaften Sprache auswaschen, was das ein parodistische Zwerg-Pentant allzu
fäkal färbte...
Der 20 jährige Schiller war nach der Premiere von "Die Räuber" Uraufführung: 13. Januar 1782 zum Popstar der
Dramatischen Scene geworden , einer der, den im absolutistischen Alltag Eingezwängten, aus der Seele sprach ...
Das Drama schlug wie eine Bombe ein, die weitreichende, nicht zu unterschätzende politische Druckwellen auslöste!
Schiller wurde, neben George Washington, (!) zum Ehrenbürger der Französischen Revolutions-Republik auf Grund seiner "Räuber"
Ehrenbürger!
Weiters, Schiller beflügelte die Märzrevolutionäre mit seinem "Don Carlos" (Quelle: Peter-André Alt "Schiller") und inspiriertet auch
einen weiteren Freiheitsdurstigen...
"Freude, schöner
Götterfunken,
Tochter
aus Elisium,
Wir betreten
feuertrunken
Himmlische, dein
Heiligthum.
Deine Zauber binden
wieder,
was der Mode Schwerd
getheilt;
Bettler werden
Fürstenbrüder.....
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt...."
...Schillers Geistesbruder Beethoven der die Worte musikalisch bis
in die heutige Zeit trug, ungeachtet dessen, das Bruder nicht gleich Freund bedeutet, siehe Kain und Abel und die Figur des Spiegelbergs in "Die Räuber" schon
die Fratze eines Robespierres und eines Stalins durchblicken ließ!
Die Freiheitsidee die sich in der französischen Revolution entfesselte, danach sich durch Napoleon zu einem
alles verbrennenden Roten Riesen aufgeblähte um bei Woterloo und dem Wiener Kongress zu einem schwarzen Loch zu implodieren...
...1848, 4 Jahre nach der Geburt meines Urgroßvaters, Franz Schwarzbauer, geboren 1842, erneut aufzulodern und wiederum gleich
erstickt zu werden...
...11. 11. 1918, fast genau 3 Jahre nach der Geburt meines
Vaters, nachdem Kaiser Karl "auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften" verzichtete, der Sozialdemokrat K. Renner als Staatskanzler eine Konzentrationsregierung aus allen Parteien bildete, nach langem dahinsiechen endlich das
Tageslicht der Geschichte wieder blinzelnd erblickte...
... in der 1.Republik mit meinen Großenvater als Gewerkschafter sich
gegen den Austrofaschismus aufzureiben musste, um gleichzeitig mit seinem Tod 1938 durch die Nazis erneut niedergknüppelt zu werden...
...1955 ein Jahr nach meiner Geburt: "...mit der Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, gegeben zu Wien am 15. Mai 1955; juristisch kurz: Staatsvertrag von Wien..." (Quelle:https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichischer_Staatsvertrag 173 Jahre nach Schillers Räuber in der unserer Zeitgeschichte anzukommen, weiters nicht lange danach, von
den Haien der Globalisierung und des Neoliberalismus angefressen ..., eine Herausforderung für die junge Gewerkschaftergeneration, der meine Tochter Jana angehört; zu
werden...
Vielleicht war der "Taucher" ja nur eine Art "Trigger" der mich zu Schiller führte und seinen "Räubern" und allem was dazu gehört
führte...
Wie lange dauert die Gegenwart, oder sollte man besser fragen, wann endet die Zukunft und wann beginnt die
Vergangenheit?
Eine Zukunft, gibt es nur in der unserer Erwartungshaltung, die Vergangenheit nur in unserer Erinnerung, wann ist die
Gegenwart?
Bei dieser Frage assoziiere ich gerne eine andere Frage:
Auf welchem Punkt einer Welle genau befindet sich der Surfer beim Wellenreiten mit seinem Brett...
"Das Wellenreiten, auch Surfen, ist ein Wassersport, bei dem die dynamische Form einer Wasserwelle ausgenutzt wird, um sich auf einem Surfbrett stehend auf dem Wasser fortzubewegen..." (https://de.wikipedia.org/wiki/Wellenreiten)...
...Es gibt da zwei
Bewegungen, die des Surfermit seinem Brett und die des Wassers, mit seiner Welle, die sich unter dem Surfbrett bewegt und dieses trägt und vorwärtstreibt, aber sich auch gleichzeitig unter dem
Brett durchbewegt... also Frage: auf welchem Punkt der Welle genau befindet sich der Surfer beim Wellenreiten mit seinem Brett...dieser Punkt der ja nie still steht, der sich ja
immer weiter unter dem Brett fortbewegt und in dem Moment als dieser "Punkt" sich unter dem Brett befindet, schon längst weiter gespült wurde... Gut, man könnte sagen: " Ja
der Punkt ist halt sehr klein, so klein wie der Zeitraum ist, in dem sich das Surfbrett genau über dem Punkt, auf der perfekten Welle befindet?! Aber wie klein ist der Punkt wirklich?
ein Zentimeter, ein Millimeter, ein Mikrometer, ein Nanometer, ein Pikometer, unendlich klein ??? Wie klein kann der der Zeitraum sein, in diesem der Surfer sich gerade über besagtem Punkt
befindet? eine Sekunde, Millisekunde, eine Mikrosekunde, eine Nanosekunde, noch kürzer ? Wie kurz kann Zeit überhaupt sein? wie kurz ist die Gegenwart?
Eine Zukunft gibt es nur in der unserer Erwartungshaltung, die Vergangenheit nur in unserer Erinnerung, wann ist die
Gegenwart?
Antwort: "Wir surfen auf der Zeit ..."
Frage: Surfen wir auf der Zeit? Eine Zukunft gibt es nur in der unserer Erwartungshaltung, die Vergangenheit nur in unserer
Erinnerung, dazwischen gebiert sicht das Sein pausenlos neu ?
Vergangenheit nur in unserer Erinnerung...
Mein zweitjüngster Enkel Sebastian hat seine Urgroßmutter, seine "Urli" noch persönlich kennen gelernt bevor diese starb, als er ca 4 war.
Eine Erinnerung, die eine Beziehung zu seiner Urgroßmutter in seinem Gedächtnis abbildet, über einen Zeitraum von wiegesagt 4 Jahren, ein Kinderleben, ein
Menschenleben...
Eine Vergangenheit die eine Beziehung zu seiner Urgroßmutter abbildet, in einem Kinderkopf...
Ich, Peter habe auch eine Vergangenheit, die eine Beziehung zu meinem Urgroßgroßvater (auch wenn ich ihn persönlich nicht gekannt
habe) abbildet, in einem Altenkopf...in Anbetracht dessen, dass jedes Wesen sein Leben im Rückblick gleich lang empfindet, schätze ich!
Was wäre, wenn man Vergangenes, in Anbetracht dessen, dass die Vergangenheit ja ohnehin nur in unserer Erinnerung existiert, um an
obenstehende Überlegen anzuknüpfen, anstatt in Jahren, in Dekaden oder in Jahrhunderten zu messen, in Generationen mißt; das Leben der Eltern, das Leben der Großeltern, das Leben
der Urgroßeltern sind das Zeitmaß...
Sebastian hat eine emotionale Erinnerung an seine Eltern, Großeltern, und Urgroßmutter; einerseits geformt aus ihren Charaktereigenschaften,
aber auch unabhängig dieser, einfach nur deswegen weil es sich um seine Eltern, Großeltern, seine Urgroßmutter handelt...
Ich wende jetzt mal etwas frei den von C.G.Jung geprägten Begriff der Archetypen an... Eltern, Großeltern, seine
Urgroßmutter und ihre archetypische Energie, die unabhängig von ihren speziellen menschlichen Eigenschaften als psychischen Energie in ihm existieren!
"Archetypen sind psychische Energien des kollektiven Unbewussten. Sie drücken sich aus in Bildern und Symbolen unversaler
Menscheheitserfahrungen - z.B. Mutter, Kind, Weg, Wachstum, Leben, Tod - und werden in diesen erfahrbar. In den Urbildern von Myten, Märchen, Träumen, aber auch von Religion, Kunst und
Literatur entfalten die Archetypen ihre Wirkkraft auf die Psyche des Menschen" So der Beschreibungtext zum Buch: "C.G. JUNG, ARCHETYPEN, Urbilder und Wirkkräfte des Kollektiven Unbewussten"
(Edition C.G.Jung)...
....Aus dem mich ein Absatz am besonders faszinierte:"....Da Neurosen in den meisten Fällen nicht nur Privatangelegenheiten sind, sondern
soziale Erscheinungen, müssen wir auch das Vorhandensein von Archetypen, in den meisten Fällen annehmen: Die Art Archetypus, die der Situation entspricht, ist wiederbelebt, und als Ergebnis
treten jene explosiven und daher so gefährlichen Triebkräfte, die im Archetypus, sind in Aktion, was oft unübersehbare Ergebnisse zeitigt. Ja es gibt nichts Böses, dem Menschen unter der
Herrschaft eines Archetypus nicht anheimfallen können. Wenn vor dreißig Jahren jemand vorauszusagen gewagt hätte, dass die psychologische Entwicklung in Richtung eines Wiedererwachens
mittelalterlicher Judenverfolgung gehen, dass Europa erneut vor den römischen Liktorenbündel und unter dem Marschtritt der Legionen erzittern würde, dass man den römischen Gruß wiedereinführen
könnte wie vor zweitausend Jahren, und dass statt des christlichen Kreuzes eine archaische Swastika Millionen von Kriegern zu Todesbereitschaft anködern würde - man hätte diesen Mann als
mythischen Narren verschrien. Und heute? So bestürzend es scheinen mag, dieser ganze Wahnwitz ist gräßliche Wirklichkeit. Privatleben, private Motive und Ursachen und private Neurosen sind in der
heutigen Welt fast zu Fiktion geworden. Der Mensch der Vergangenheit, der in einer Welt anarchischer représentationes collectives lebte, ist wieder zu einem sehr sichtbaren und peinlichen realen
Leben erstanden, und dies nicht nur in ein paar unausgeglichenen Individuen, sondern in vielen Millionen Menschen..."
Was mich an diesem Absatz am meisten beeindruckt ist die Tatsache, wann er das geschrieben hat...
Nicht am 28.01.2005, 00:00 Uhr in der Wiener Zeitung:
"GEDENKFEIER ZUM 60.
JAHRESTAG DES VERNICHTUNGSLAGERS…"
Nicht am 02.05.2010 in der „TZ".
"Dachau: Gedenkfeier zur KZ-Befreiung..."
Nicht am 27.1.2015 in der Bildzeitung:
"Heute vor 70 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz durch die
Rote Armee befreit."
Nicht am 27.01.2015
in der Stuttgarter Zeitung
"Auschwitz - 70
Jahre nach der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau haben Überlebende des Holocaust zum Kampf gegen Intoleranz, Gleichgültigkeit und Antisemitismus
aufgerufen.."
Nicht am 27. Januar 2020, 14:28 Uhr in
der Süddeutschen :
"Gedenken an Auschwitz-Befreiung
Ein schwerer Gang
Ehemalige Häftlinge,
Angehörige und Politiker kommen heute in der KZ-Gedenkstätte in Auschwitz zusammen. Bilder vom Gedenken an die Befreiung des Vernichtungslagers vor 75 Jahren."
Nein er hat diesen Gedanken den er in dem Kapitel: "Der Begriff des kollektiven Unbewussten"
formuliert hat 1936 geschrieben; damals 1936 als die Zukunft noch ein weißer Flecken auf der Landkarte der Zeit war, lange bevor durch das, was wir unsere
Vergangenheit nennen zur Realität; zum kollektiven Alptraum wurde, zu einer Hironiums Bosch Realität "Hochunendlch"...
Archetypen...
...weiters schreibt Jung "...Auch wenn uns alle Beweise für die Existenz von Archetypen fehlen, und wenn uns alle gescheiten Leute
überzeugend bewiesen, dass es dergleichen gar nicht geben könne, so müssten wir sie erfinden, um unsere höchsten und natürlichlichsten Werte nicht ins Unbewusste versinken zu
lassen..."
Ich aber denke , die Geschichte hat genug Beweise geliefert!
"Archetypen", wie auch Bruder, Schwester...manch einen oder eine hat vielleicht schon klagen
gehört: "...mein Bruder...naja er ist halt mein Bruder..." so ein Satz beinhaltet und bestätigt die Existenz einer solchen emotionalen Determiniertheit ...
Warum nicht „Generationen" anstatt Jahre, Dekaden Jahrhunderte als Zeitmaß benutzen? Auf die Weise würde das Einteilen der Vergangenheit in
Generationen für unser subjektives Zeitempfinden unsere Sicht verändern und uns dem Vergangenen emotional näher bringen!?
Die emotional empfunden Zeitdistanz von jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, bis zurück zu meinem 1842
geboren Urli meinem Urgroßvater, egalisiert sich auf das selbe Maß, wie die emotional empfunde Zeitdistanz meines Enkels Sebastian; von jetzt, wo er
wahrscheinlich augenblicklich im Kindergarten spielt; zu seiner Urli:
180 Jahre = 4 Jahre... 3 Generation!
Auf diese Weise verkürzt sich meine subjektive Empfindung des Zeitabstands zum Jahr 1842 auf seltsame Weise, vielleicht auf 4 Jahre
?
"Am 13. März 1848 kam es zum
Ausbruch der Revolution in Wien, die zum Sturz des Staatskanzlers Metternich, zu Pressefreiheit und zur Proklamation einer Verfassung führte..." (Quelle:https://www.habsburger.net/de/ereignisse/marzrevolution-1848)
"...Begonnen hatten die Unruhen
in (... )Frankreich Dort haben im Februar 1848 die Menschen den König abgesetzt. Nach Deutschland kam die Welle des Aufstandes im März. Daher kommt der Ausdruck „Märzrevolution“. Eine Revolution bedeutet soviel wie eine große Veränderung. Im Frühling gab es sogar richtige Kämpfe zwischen Soldaten der Demokrateneinerseits und den deutschen Staaten andererseits. (https://klexikon.zum.de/wiki/M%C3%A4rzrevolution)
"...In Frankreich war die Revolution
erfolgreich (Umwandlung des Königtums in eine Republik); in den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bunds (Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und so weiter) wurden zunächst zwar durchwegs die meisten
politischen und sozialen Ziele erreicht, doch führte die zunehmende Radikalität zu militärischen Gegenmaßnahmen der Regierungen, welche die Revolution letztlich zum Scheitern brachte (einige
Errungenschaften blieben allerdings bestehen); in Ungarn und Lombardo-Venetien warf Österreich die Revolution mit Waffengewalt völlig nieder (Radetzky) und setzte Militärregierungen ein."
{Quelle:https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Revolution_(1848)}
Die 3 Generationzeitmessung verkürzt meine subjektive Empfindung des Zeitabstands zum Jahr 1848 indem ich mir meinen
Urgroßvater als 6 Jährigen vorstelle, der er damals war, obwohl ich nicht weiß wie er wirklich war, bin ich sicher. er war in einer Hinsicht sicherlich so wie alle 6Jährigen, er kam sich sicher
schon ziemlich alt vor...
Wie ich 6 war, bin ich in die Schule gekommen, ein Jahr später, an meinem 7. Geburtstag dachte ich:"... jetzt bin ich schon
SIEBEN ! "
Ungefähr so alt wie mein Urgroßvater war, zur Zeit der 1848er Revolution, wieviel und was hat er damals mitbekommen?
Übrigens 13.März, auf den Tag genau 90 Jahre nach der Märzrevolution starb mein Großvater und Hitler marschierte in
Österreich ein...beziehungsweise er ließ sich reinfahren!
Am 13.März 2003 wurde mein ältester Enkel geboren, der, aufgehetzt von seinem Vater, seine Mutter
haßt...
*
Ein Kollege sagte zu der Olmützer Geigerin Jirna Holy, in einer Orchester-Proben Pause: "...draußen wartet ihr Vater auf
sie..."
Jirina war perplex, ihr Vater war ja erst vor kurzem gestorben!
Aber es stellte sich heraus, es war nicht ihr Vater, sondern ein KGB-Agent der versuchte Jirina für den sowjetischen Geheimdienst zu
rekrutieren!
"Sie können gerne wieder in ihre Heimat, in die CSSR zurück kehren, aber sie müssen sich vorher erkenntlich zeigen..."
Da Jirina, vor einiger Zeit aus der Tscheoslowakei, bis zum Bauch im Schnee über die tschechisch-österreichische Grenze geflüchtet
war, um mit ihrem Kollegen Faktor, einem Olmützer Fagottisten, in die USA zu immigrieren; obwohl, soweit ungeklärt, wußte sie es nicht, oder war es ihr egal ? wie auch
immer, Faktors Frau auch mitgereiste, letztendlich Jirina von Faktor zum Belastung-Faktor somit, zur ungeliebten Geliebte und in Salzburg allein zurückgelassen
wurde.
Darum wurde die auf diese Weise in Salzburg Gestrandete, inzwischen heimwehkranke Jirina, KGB Agentin!
Aber ich glaube nicht für lange Zeit, da die musische verträumte Ölmützer Geigerin, alles andere als eine begabte Agentin war, obwohl:
sie erzählte, viel, viel später, als sie schon Jahrzehnte meine Mutter war, sie habe beim Passieren eines der damals gefürchten Demakartionslienen-Points, zwischen
amerikanischer und russischer Besatzungszone, sich und ihren damaligen Agenten-Partner durch intensiven schauspielerischen Einsatz, aus einer kniffligen Situation gerettet, was ihr Partner
ihr auch in Form entsprechender Komplimente bestätigte...
Dorli erinnerte mich an ein "Nockerl"
Ich meine damit Nockerl , die Beilage, die man zu verschiedenen meist soßigen Fleisch Speisen reicht, was weiß ich,
zb Putengeschnetzeltes wenn man sich nicht für Reis als Beilage entscheidet oder zu Gulasch wenn man keinen Knödel will...
Nockerl, ein bisschen nachgiebig in der Konsistenz wenn man drauf beißt irgendwie "propper " überschaubar und doch ein
bisschen mehlig, gut zum Soße aufsaugen aber selbst ohne besondere Geschmackseigenschaften ...
Dorli war das Nockerl, mein Vater die Soße...
Dorli und Rupert lernten bei einem der Wirtshausbesuche zum üblichen Umtrunk nach einem gemeinsamen Konzert des Mozarteum Orchester
und des Domchores in dem Dorli Sang.
Wahrscheinlich brillierte Rupert wieder in der Rolle des Wirtshauskomödianten und das Nockerl saugte die Soße auf um etwas
Geschmack anzunehmen....
Ich nehme an, er genoß die Anbetung, die er durch die junge Gesangsstudentin erfuhr...
Sie versorgte ihn weiters mit den Frischzellen des Wirtschaftswunder-Positivismus der -50er, das Im Gegensatz zur melancholischen Rückwärts
Gewandtheit seiner Frau Jirina stand, die in Heimweh nach Tschechoslowakei versank.
Ihre Seele war so dunkel wie eine Raucherlunge...
Rupert verschrottete sein altes Auto aus den 30ern mit der Holz Karosserie und kaufte sich den gleichen Steirer-Puch 500
den auch Dorli besaß...
Eines Tages wachte ich von meinen Tagträumen auf, geweckt vom Anblick des Busens von Dorli... Neckisch eingepackt in
das Décolleté, einer Dirndbluse umrahmt von Rüschen wie aus Zuckerguß!
Ich war ja ein intensiver Tagträumer, aber sowas konnte sogar mich in die Realität zurück switchen lassen.
Der Anblick von weiblich determinierten Formen war eine Art Schlüssel, der etwas in mir aufsperrte, eine andere aufregende Welt,
geheimnisvoll, verboten...
Ich kann mich erinnern an " Zipfizeigen" "Damma Zipfizeig'n" fragte ich schon als ca 4Jähriger meine
Freunde...
Einmal fragte ich auch "Puppi" die Tochter eines Polizisten im 3.Stock Siebenschäferstraße 31 "Damma Zipfizeig'n"
Wir taten es unter der Treppe vor dem Kohlenkeller, ich war ganz entsetzt: sie hatte keins!
Das war sehr aufregend...
Dorli gab sich adrett und aufgeräumt und gab mir Nachhilfe- Unterricht und ich war verwundert darüber wie ich hier her
kam...
Meine Mutter spielte gelegentlich zu Hause Geige und gelegentlich kochte sie meine Lieblingspeise Eiernockerl mit Spinat und wenn sie
Klavier spielte begleitete sie ihren Gesang wenn sie Slawschen Liedern mit dunkel gefärbten Alt ansitimmte ...
Sie hatte auch den berühmten "Csárdás (Monti)" in ihrem Geigenreportiere , wenn wir Besuch hatten wollte mein Vater sie dazubringen
diesen zu spielen, doch ich erinnere mich, sie war nicht sonderlch begeistert darüber denn beim Chardas von Monte, handeltel es sich um ein eher was "draufgängerisches" und passte
somit nicht sonderlich zum Naturell meiner Mutter
Als ich erwachsen war erzählte meine Mutter, verständnislos den Kopf schüttelnd : "Da macht er mir ein Kind!" Am 23.Juni 1959 bekam ich
einen Bruder: Jan, Georg genannt...
1959: In diesem Jahr machte Fidel und Che mit der Kubanischen Revolution Tabula Rasa auf ihrer Insel, seit dem gab es dort keine
neuen Autos mehr...
Für Rupert wäre 1959 , in Anbetracht der Geburt seines jüngsten Sohnes auch die richtige Zeit gewesen Tabula rasa zu machen und sich
nicht mehr von "Nockerl" aufsaugen zu lassen, dann würde möglicherweise mein 1989 an ein Drogenüberdosis verstorbenen Bruder heute noch leben, aber Rupert, der Wirtshaus Komödiant,
hatte den Zeitpunkt verpasst...
Meine Mutter ich und die "Anderen"
Das Leditzky Ehepaar, aus Wohnung Nr 9 der Siebenschläferstraße 29 erinnerte mich an ein Rabenpärchen, wie sie verbal auf meine Mutter
einhackten, schrill schimpftend, mit ihren Nasen in Richtung meiner Mutter hackend, aus dem dunklen Kellerbereich hinauf, schon teilweise auf der kurzen Kellerstiege stehend, die zur Parterre des
Stiegenhauses führte, wo man aus dem Keller kommend, sich mit einer 360 Grad Wendung schwingend, gleichzeitig den Beginn des von vielen Händen glatt polierten Holzgeländer erfassend konnte, wenn
man über die Stiegen des Stiegenhauses in die oberen Stockwerke wollte , dort wo meine Mutter jetzt stand, sich verbal verzweifelt wehrend, deutsche Worte aus einem an tschechische
Sprachmelodie gewöhnten Mund!
Oder erinnerten mich die Ledizkys eher an eine Hyänenpärchen, bissig, gekreischte Gehässigkeiten speiend,
Zähnefletschend, Worte wie sabbernder Geifer, es machte auf mich den Eindruck, dass sie dabei über einen reichhaltigen inneren Fundus verbalen Gifts verfügten, aus dem sie genußvoll
schöpften , geübt, jemanden fertig machen zu können; na überhaupt, diese tschechische Schlampe, die ihr "Laken mit einer anderen teilt", (Mein Vater hatte da schon eine
„Geliebte", aber darüber später mehr...)
Egal, Raben, oder Hyänen, auf alle Fälle hätten sie eine gute Figur gemacht, neben allem anderen johlendem Pöbel, als die Köpfe
rollten, von der Gouitiene, damals während der französischen Revolution! Na das typische Schicksal Zuspätgeborener...
Ich stand starr daneben, nicht viel größer als das Stiegengeländer.
Neben meiner Mutter.
Meine Mutter, ich und die Anderen.
Dabei ging es wahrscheinlich nur um einen lächerlichen Streit, um die Benutzung des Trockenraum oder der Waschküche mit seinen, mit grauer
Ölfarbe bemahlten abwaschbaren Wänden, in Kopfhöhe sauber abgeschlossen mit einer ochsenblutfarbener ca ein cm breiten Linie. Mit seinem fix gemauerten Waschbottich ebenfalls in der selben Farbe
und der nach obenhin offenen Wäscheschleuder, wo man von oben beobachten konnte, wie sich die Wäsche zu langsam drehend, immer schneller und schneller werdend, zu einer bunten kreischelartigen
Schimäre wurde, surrend und schwirrend Geräusche sirren ließ - doch wehe wenn man nach der sirrenden bunten Schimäre hinunter greifen wollte, sie würde gleich deinen Arm packen wollen und in sich
hinein ziehen, wie meine Mutter mich warnte, was mich zu einem respektvollen Abstandhalten motivierte. Der Wind der aus der sich drehenden Zentrifuge mir ins Gesicht bließ, rief ihn mir die
Vorstellung wach, dass nur ein Bruchteil einer Sekunde benötigt würde, um hier seinen Arm zu verlieren, steckte man ihn, in den bizzarr sich drehenden Schlund! Die bloße Vorstellung davon
vermittelte mir grausige, vorauseilender Phantomschmerzen !
Wenn man die Wäscheschleuder mit nasser Wäsche füllte, musste man darauf achten, dass man sie gleichmäßig am Boden verteilte, wenn man das
nicht tat, begann die Wäscheschleuder ab einer gewissen Drehgeschwindigkeit mit hämmerndem Lärm herzuhüpfen und zu tanzen wie ein wildgewordener Blechgnom!
Wenn man aus der Waschküche mit seiner grauen Tür kam, war man im Bereich der im Keller der durch Holzgitterwänden getrennten
Kellerabteile, für jede Wohnung ein Abteil, am Boden vor jedem Abteil, ganz knapp davor ganz säuberlich angehäuft, ein kleines Hügelchen Rattengift mit dem Aussehen von lecken Haferflocken. Aber
wir Kinder wußten, es war RATTENGIFT! gehörte halt einfach zum Keller...
Die Leditzkys bauten irgewann ein Haus am Stadtrand, dort zogen sie dann ein, dort konnten sich dann ungestört gegenseitig fertig
machen !
Vor unserem Kellererabteil; gleich neben dem grauen Tor des Haushinterausgangs, der zu der Wiese hinterm Haus führte, mit den grauen
Teppichklopfstangen von der ich mich gerne kopfüber hängen ließ und den grauen Stangen zum spannen der Wäscheleinen; gab es auch so ein Häuflein im Haferflocken-Look.
Im Inneren des Kellers war neben allem möglichen Anderem Zeugs auch, sehr wertvoll, mein Fahrrad!
Lange Zeit, hatten alle Kinder der Siebenschläferstraße 29 außer mir und Hein, schon ein Fahrad. Also die Huty-"Buam", Albert Huty
hatte ein edles schwarzes "Puch Jungmeister" und Hary Herzog hatte ein Fahrrad, dass er selten benütze, weil er ja Geige üben musst, um später Professor am Mozarteum zu werden, bekannt als
der "Schöne Hary" weil er blond war...
Es gab da auch noch ein hübsches sehr schlankes Mädchen aus der Wohnung Tür 11, die Tochter der Leminger. Die hatte wahrscheinlich auch kein
Rad, allerdings denke ich, hätte es ihr nicht viel genützt, denn ich habe sie nie draußen spielen gesehen! Ihre Eltern wahren sehr ordentlich, um nicht zu sagen "Besser". Herr Leminger sah
im Orchester am Pult der 1. Geige! Erstes Pult links vom Dirigentpult wohlgemerkt! Von hoher Aussagekraft für die Rangordnung ein Musikers war, an welchem Pult er saß und wie weit oder wie
nahe dieses vom Chefpult entfernt war. Dementsprechend würdevoll war die distinguierte, gelangweilte Würde auf Lemingers Gesicht, die meinen Vater zu der Aussage hinreißen ließ, Leminger habe ein
richtigs „Chremschnitten-Gesicht". Leminger hielt jeden Tag ein Mittagschläfchen, hinter Tür Nr. 11 und wir hinter Tür Nr. 10 mussten, LEISE sein! So konnte es doch hin und wieder vorkommen, dass
Frau Lemminger an unserer Tür klingelte, mit strafender Miene uns ermahnend "MITTAGSZEIT!" Ansonsten waren die Lemingers nette Leute, schade dass ich nie mit ihrer Tochter spielen durfte, denn
die wurde von den Eltern von uns Straßekindern ferngehalten!
Eines Tages kam ein Kleinlaster mit Fahrrädern auf der offener Ladefläche die Auffahrt zu unserem Wohnblock aufgefahren, was wir von
unserem Fenster, das im 3.Stock einen guten Ausblick bot, beobachteten...
Pötzlich drückte mein Vater mir einen 20 Schilling Schein in die Hand mit den Worten:"Geh' runter und gib dem LKW-Fahrer die 20
Schilling", ich kannte mich nicht aus, was, warum sollte ich dem da unten 20 Schilling geben? "Jetzt geh' schon ...!" drängte mein Vater, also lief ich das Treppenhaus , vom 3.Stock, wie, üblich
immer zwei Stufen auf einmal, hinab und raus, da stand Alberts "Puch Jungmeister" ich stand hilflos da mit dem 20 Schilling Schein in der Hand drehte mich noch einmal nach oben zu unserem Fenster
im 3.Stock, aus dem mein Vater ungeduldig gestikulierend rief:"Geh' schon, gib' ihm die 20 Schilling!" Aber der Fahrer saß schon wieder in der Fahrerkabine den Rückwärtsgang eingelegt, lachend
abwinkend...
Zurück blieb nur das schwarze "Puch Jungmeister" und langsam wurde mir klar und ich konnte es kaum Fassen, das Fahrrad das da
stand, war nicht Alberts "Puch Jungmeister" es war mein Fahrrad, mein Vater hatte es als Überraschung für mich gekauft und schon bezahlt, die 20 Schilling wären das Trinkgeld für den Fahrer
gewesen...
Ich war ganz perplex ein schwarzes "Puch Jungmeister" für mich, glänzend und nagelneu !
Rupert Schwarzbauer, genannt Pertl, bekannt als Platl, Flötist und Piccolotist bei der Militärmusik der Deutschen Wehrmacht; es hieß, wenn
er ins Picciolo bließ, kamen zwar zuerst ein ein paar Tschicks am unteren Ende des Piccolos heraus, aber dann - welch eine Musik; schlug sich, nachdem die Rote Armee Wien erobert hat, mit
einigen Kameraden, nach Westösterreich durch, um profilaktisch die russische, möglichst im vorhinein, bevor es zu spät, gegen eine amerikanische Kriegsgefangenschaft
einzutauchen!
Erfolgreich, viele Tage hungernd, im Kriegsgefangenenlager unter freien Himmel.
Die Amis, die mit der Logistik so vieler Kriegsgefangener überfordert waren ließen ihn nach dem er
"Entnaziviziert" war bald frei , tingelte wie oben schon erwähnt als "Singender Komiker und komischer Sänger" als Bassbariton eines Vocalensemble im
"Barbashop" Stil durch die Varieté-Bühnen Österreichs, wo er seine zweite Frau kennengelernte, (hab ich glaube ich auch schon erwähnt...) weil er, wie auch schon geschildert, seine
Stelle als Flötist bei den Wiener Symphonikern nicht antreten durfte, da diese als Wiedergutmachung für die Greueltaten am Jüdischen Volk, an einen Jüdischen Musiker vergeben, wurde; ungeachtet
der Tatsache das Platl 1939 kurz nachdem er das Probespiel zu dieser Stelle, sehr erfolgreich absolviert hatte, von der Deuteschen Armee zwangsrekrutiert quer durch Europa verschleppt und der
wichtigsten Jahre in der Entwicklung eines Künsters beraubt wurde, die zwischen ca 20ten und 30ten Lebensjahren !
Als im Mozarteumorchester die Stelle des Soloflötisten frei wurde, konnte er diese mit einem Empfehlungsschreiben der
Wiener Symphoniker, diese Stelle ohne Probespiel antreten. So verschlug es ihn nach meiner Geburtsstadt Salzburg, ähnlich wie Jirina Holy, die im Mozarteumorchester als Geigerin subsistierte, wo
sich die beiden kennenlernten, notabene wo, Jirina eine ausgesprochene tschechische Schönheit war, die Pertl außerdem durch ihre tiefe, von Heimweh rührende Melancholie und Traurigkeit berührte,
so dass er sie ansprach und Hilfe anbot, insbesonders da er ja auch Betriebsrat war.
Jirina die unbegabte KGB-Agentin war wahrscheinlich aufgrund ihrer Unfähigkeit zur Spionin aus dem Russischen Geheimdienst geworfen und
deshalb nicht lange genug dabei um sich die Verdienste zu erwerben um ihre Heimreise zu ihre Familie, Vater, Mutter und ihrem Bruder in ihrer russisch besetzten Heimat zu verdienen,
aber lange genug um ins Radar der CAI zu gelangen die sie zu Verhören vorluden, zusätzlich zum Heimweh nach Böhmen.
Pertl half ihr, wie es sich für einen Betriebsrat gehört, mit dem Mut der Navität ausgestattet, preschte er ins CIA Hauptquartier, auftreten
in Gestig, Gehabe und Tonfall eines deutschen Offiziers der seine Rekruten zusammenscheißt, gleichzeitig den Empörten Verlobten mimend, man solle seine Braut gefälligst in Frieden lassen,
die niemals eine Spionin sein könnte, da diese dafür viel zu dumm sei!
Das Jirina, Pertls Verlobte war, war zwar ein Schwindel, aber es scheint geholfen zumhaben, denn seit dem hatte Jirina eine Ruhe vom
CIA...
Anderseits könnte es allerdings auch ein Fehler war gewesen sein, da die beiden kurz darauf hin in Echt heirateten, beflügelt von der
Idee Blatls, der inzwischen hauptsächlich Pertl genannt wurde, das Jirina und er, dadurch das beide ein verpatztes Leben haben, gut zusammenpassen würden.
Jetzt hatte Jirina zwar nicht mehr den CIA am Hals, aber dafür Pertl...
Nachdem die Traurigkeit von Jirina trotzdem nicht verschwand, meinte Pertl, es würde Jirina gut tun wenn sie Mutter werden
würde und da trat ich auf den Plan, indem ich Jirinas Sohn wurde und Pertl mein Vater.
Ich weiß nicht wie es Gemeint war, als mein Vater sagte, "Deine Großmutter war eine Zigeunerin?"
War es als Hauptwort gemeint, eben Zigeunerin, eine aus dem Volk der Zigeuner, oder besser eine, aus den Völkern der Roma und Sinty
stammende, oder war es gemeint als die eine Art von Hauptwort, das als eine Art Eigenschaftswort fungieren sollte...also als Schimpfwort mit mehr oder weniger
herabwürdigendem Intensitätsgrad, auch angewandt an Nichtzigeunerinnen oder Nichtzigeuner, also an Gadschos, wie Roma und Sintis uns Seßhaften bezeichnen...
Meines Vaters älteste Enkelin fragte ihn einmal "...war sie eine Sinty oder eine Roma?" worauf ihr Großvater mit Roma
antwortete...
Seither spüre manchmal ich in mir so etwas wie Zigeunergene oder besser Roma-Gene in mir, speziell wenn ich auf der Gitarre
"Gypsy-Jazz spiele und ich habe für ein Lied geschrieben:
"Mei Großmuada woa a Zigeinarin ...."
Falls es als Schimpfwort gemeint wäre, dann wäre es nicht sonderlich böse gemeint gewesen, auf einer zehnteiligen Scala vielleicht 1 - 1,5
!
Ich glaube es war auch ein Augenzwinkern dabei, denn wenn er meinte, "Deine Großmutter war eine Zigeunerin..." dann dachte er sicher daran,
dass ihr anscheinend gesellschaftliche Konvention egal, oder besser gesagt ein Fremdwort war und das sie kein Gadscho war.
Meine Mutter glaube ich mich richtig erinnern zu könne, erzählte mir, dass Großmutter Pfeife rauchte...
Sie erzählte, in dem Kabinett, in dem ich kurz nach meiner Geburt in meinem geflochtenen Kinder Bettchen lag, stand eine
Nebelwand aus Tabaks Rauch, bis zur Zimmerdecke, hinter der meine Mutter mich und meine Großmutter nur schwer ausmachen konnte, als sie aus dem Krankenhaus zurück kam, in dem
sie ein paar Tage wegen Eiterungen in ihren Milchdrüsen verbringen musste... Anscheinend war Großmutter von meinem Vater zum Babysitten aus Tirol bzw. aus Trient, nach Salzburg herbeordert
worden...
Das war der eine Aspekt, den ich von meiner Großmutter kannte...
Der zweite Aspekt war eine persönliche Erinnerung, die zeitlich einzureihen mir etwas schwer fällt, beinahe traumartig
irreal...
Räumlich stattfindend in etwas wie in einem Krankenhaus oder Altersheim, vielleicht eine Kombi aus beiden: Ich sehe eine alte
zerfurchte Frau mit romanischen Gesichtszügen in einem Krankenhaus Bett, ein Bett mit etwas schon weißgraulich verblassten Metall-Bettrahmen, ähnlich wie Betten, sowie man sie vielleicht
aus alten Lazarett- Filmen kennt; die Hände dieser Frau waren liebevoll in Richtung der markanten Silhouette des Gesichtes meines Vaters gestreckt, ihr lachender Mund legte den
Blick auf ihre schlechten Zähne frei... Unvergesslich bis Heute: Ihre strahlenden blauen Augen!
Was mir im nach hinein seltsam vorkommt ist; dass ich diese Szene nur durch die halbgeöffnete Tür des Krankenhauszimmers beobachtete,
sozusagen vom Halbschatten eines in blaugrauen Licht getauchten Stiegenhaus aus... Das Krankenzimmer war in schwaches Sonnenlicht getaucht, dass vermutlich durch ein Fenster; das
sich in dem von mir nicht einsehbaren Teil des Zimmers befand; schien, dem mein Vater seinen Rücken zuwandte, während er am Bett seiner Mutter saß, und sein Gesicht, vom
Sonnenlicht unbeleuchtet, halbherzig lachend, sich ihr zuwendete ...
Mein Vater erzählte mir, sie seinen Gassenbuben gewesen damals in Innsbruck ca. Ende des 1. Weltkriegs! Er und seine Brüder Hans, Franz und
Alfons, sowas eine wie eine kleine Gang, von der Inn-bruck'n herunter in den Flußkees gesprungen, unbeaufsichtigt durch die Gassen der Stadt, anscheinend nicht gerade sehr sauber und einigermaßen
vernachläßigt...
Luise, Ruperts neue Stiefmutter, liebte es diese "Lumpen" wie sie es nannte, die die Brüder damals anhatten,
herumzuzeigen, sie hatte sie sozusagen als Artefakte extra aufbewahrt, konserviert, als Dokument, das zeigt, wie die Brüder damals herum liefen; so erzählte Traudl meine Tante,
genauer gesagt halb Tante, sie war jüngste Kind aus zweiter Ehe, meines Großvaters...
Aber anscheinend war es nicht nur Vernachlässigung, was zur Scheidung von Maria, Ruperts leiblicher Mutter und Johann
führte....
Tante Traudl, erzähle, in der Familie wurde geraunt, Alfons der jüngste der Brüder war im Nebenzimmer als Maria es im Nebenzimmer mit
anderen Männern trieb...
Traudl die ihren Vater sehr liebte, hatte aber für ihre leibliche Mutter Luise mehr oder weniger hauptsächlich Verachtung übrig,
die sich im Tonfall tiefster Empörung zeigte als sie mir von der Sterilisation erzählte!
Die Sterilisation . Luise hatte ihre Stieftochter Mizzi sterilisieren lassen, mit dem Verweis auf die untreue Natur ihrer
Mutter!
War Luise ein Monster?
Tante Traudel erzählte, ihr Vater war die meiste Zeit nur im Werkstattschuppen am großen schönen Haus, am Kamp gewesen, Traudel
meinte, es habe ihn gebrochen dass er zum zweiten mal in seinem Leben die falsche Frau geheiratet hat und dass das der eigentlich Grund für seinen frühen Tod war.
Die offizielle Todesursache war Lungenentzündung. Die Zeit als Heizer auf der offenen Arlberbahn-Lokomotive forderte seinen
späten Tribut.
In tiefer Empörung klagte Traudel, dass Luise anstatt ihrem sterbenden Mann in den letzten Stunden in seinem Leben beizustehen, in das
nächste für Erbschaftsangelegenheiten zuständige Amt eilte um sich das Erb-Recht am Haus zu sichern...
Ich habe das Haus einmal gesehen, mein Vater hat es uns einmal gezeigt, auf der Durchreise, auch das Grab seines Vaters wollte er bei der
Gelegenheit besuchen, im Friedhof bei der nahegelegenen Kirche, das Grab war nicht mehr zu finden...
Das Haus war eine Pension geworden, "Pension Schuster" klingelts in meinem Ohr, muss aber nicht stimmen, eher nicht...es
hat ein bisschen einen Mediterranen Flair im kleinen gedämpft matt glänzenden roten Ziegelstein-Look und kleinen Erkerchen, wenn ich mich richtig erinnere mit kleinen Erkern, muss aber
nicht stimmen, grosser Garten...eher mehr eine kleine Villa, als ein Haus. Mein Vater erzählte, dass er und seine anderen Geschwister an heißen Sommertagen immer mit großen
Gießkannen zum Blumengießen ausrücken mußten !
Zum Essen gab es hauptsächlich das was im Garten wuchs , Klohrabi , was mein Vater, wie er erzählte hasste! Nur selten gab es seine
Lieblingsspeise "Pudingpalatschinken" er erzählte das mit so großer Begeisterung, dass dieses Gericht auch bei uns, drei Geneationen später bis heute immer wieder
Puding-Palatschinken gibt und von uns mit der selben Freude gegessen wird, wie damals von meinem ca. vierzehnjährigen Vater!
Mizzi wurde in den 40er Jahren in den Tiroler Alpen vom Blitz getroffen...
Gretel, sie hatte mir ja den Kontakt zu Traudl erst ermöglicht, einiges aus ihren Erzählungen stimmte mit dem was Traudl erzählte, ich
glaube das mit den "Lumpen" hat auch sie erzählt... Beide hatten sich in dem Haus in Gars am Kamp kennengelernt...
Gretel war mit ihrer Sudetendeuschen Familie immer regelmäßig auf Urlaub in Gars und dachte, sie könnte sich bei den kleineren Villen die an
der verschlungen Straße zur Anhöhe heraus, aber doch nicht weit, aus dem Kamptal nach Ferienzimmer erkundungen , sie kam an ein Haus das sie interessierte...
"Ein sehr fescher Monn " wie sie sagte, stand am Gartentor...
Johann Schwarzbauer der mächtige und im "Tiroler Anzeiger" stets heftig attakierte boss der freien österreichischen
Gewerkschaften,
hat sich im Ruhestand hier her zurückgezogen...
(
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tan&datum=19310805&query=%22Ruhestand%22+%22getreten%22+%22Adjunkt%22+%22Johann%22+%22Schwarzbauer%22+%22allgemeiner%22+%22Tiroler%22+%22Anzeiger%22&ref=anno-search&seite=6
) aus gesundheitlichen Gründen nach Gars am Kamp zugezogen
Schillerling war der Schlagwerker des Mozarteum-Orchester, er wohnte im 2. Stock, Tür 9 des Musikerblocks in
Siebenschläferstraße 29.
"Nomen est Omen", Schillerling liebte es zu Schillern... Bart als Eierkopf-Halbglatzen-Kompensation, seine laute Stimme schmetterte
stets begeistert und ließ erahnen warum er sich für ein opulentes Musikinstrument entschied....
Orchester-Schlagwerk war ja nicht nur akustisch sehr ausgreifend, sondern auch auf räumliche Weise!
Benötigte schon mal eine ganze Bühnen Etage für sich, um den Trommeln, Pauken, Vibra - und Xylophone, Gongs, Schnarren, Peitschen und und,
und, Platz zu bieten! Schon allein der Wechsel zwischen, mal auf den Pauken die Schläger mit flauschigen Rundköpfen zu rollen, oder mit dem fetten Schläger auf dem riesigen
hängenden Gong einen aufrauschenden akustischen Wirbelwind zu starten, dann zum Vibraphon zu flitzen um ihm wimmrige schummrige Töne zu entlocken, gleich zu rüber zum Xylophon um auf
den klaviaturartig angelegten Holzklangstäben gleich mehrere gleichzeig Schläge tanzen zu lassen, dann mit ernster Mine auf der Marschtrommel bedrohlich zu schnarren war beinahe ein
Zirkusakt! So war Schillerling als Akteur , als Hirte seiner Klopfklangherde der eigentliche Star auf der Bühne, das Orchester war eigentlich nur dazu da ihn zu begleiten, möglichst dezent,
leider wußte das niemand außer ihm selbst!
Einmal nahm mein Vater uns mit zu einem alten Kriegskameraden den er besuchte , Willi Polares!
Meine Mutter erzählte, das Willi Polares es nicht verstand, dass es meinem Vater vor Knoblauch ekelte und das sie zb Spinat nicht mit
Knoblauch würzen dürfe, Polares: "Wos, beim Spinat muaß da Knofie ( Knoblauch) nur so außa schaun'n" Polares war Wiener . "...Heaßt g'scheada, grena wiads nimmer" (Hör du Gescherter, grüner
wird es nicht mehr), schimpfte er beim Autofahren, wenn der Autofahrer im Wagen vor ihm nicht rechtzeitig auf das Grünwerden der Ampel reagierte...
Willi der mit meinem Vater beim, Paras, der Deutschen Wehrmacht, bei der Militärmusik war, sagte, wenn der Platt'l in sein Piccolo
blies, kamen zwar zuerst ein paar Tschiks heraus, aber dann ! ! So meine Mutter ... ! Mein Vater über Polares: "....er hat die Marschtrommel gespielt, der hot an Rhythmus g'hobt! Net so wie da
Schillerling..."
Privat war Schillerling genau so wie als Schlagwerker war !
Alles was er tat, zelebrierte er, war "wichtig" von einer Aura, des in den noch etwas grauen 50er/60gern, als
"Extravagant"empfundenen, umgeben !
Wenn er verreiste, fuhr er mit seinem kleinen roten zweisitzigen "Fiat" Sportwagen direkt bei der Haus türe Nr 29 vor, um diesen
beflissen und bedeutsam , mit seinen schicken Reise Accessoires zu beladen ! Gleichzeitig kommentierte er sein Tun; begeistert mit trompetenhafter Stimme; also Trompeter hätte er
nicht zu werden brauchen er hatte ja seine Stimme; vor den Kollegen, die ihm dabei von den Fenstern des Musikerblocks heraus beobachteten, neugierig amüsiert, nach wie und wohin und
über seinen schicken Sportwagen und seine schicken Sachen neugierig und auch etwas neckisch befragten ! Es war immerhin Juni , Urlaubszeit, die Festspiele hatten noch nicht begonnen; die
Theatersaison fast vorbei, das Wetter war schön!
Schillerling war nicht oft zu Hause, man weis auch nicht wo sonst, seine Wohnung war ein Mysterium an eine Frau Schillerling kann ich mich
nicht erinnern.
Doch eines Nachts ereignete sich etwas, etwas ausserhalb des gewöhnlichen Alltag, es war etwas passiert, mitten in der Nacht,
Kinderweinen hinter der Tür von Nr 9, 2.Stock, meine Mutter die wusste was nicht zu tun war...
Nämlich nicht zu reagieren !
Im Nachthemd, einen Mantel schnell übergezogen, im kalten Stiegenhaus vom 3. Stock in den 2. ....
Ein kleine blonder Junge, hinter der Wohnungstür Nr 9, verwirrt!
In der Wohnung, eine alte Frau, tot, liegend mit offener Kopfwunde, im Badezimmer...
Meine Mutter, als Einzige in der Siebenschläferstraße 29, deren restlichen 12 Türen verschlossen blieben, reagiert auf das
Kinderwimmern, das durchs ganze Stiegenhaus im hellhörigen Morgengrauen geisterhaft einsam verzweifelt hallte und kümmerte sich... so war sie !
Einige Tage später später mein Vater: " Eigentlich miast do wos komman, vom Schillerling!..." irgendwann und auf einmal, es kam
was, da stand Schillerling vor unserer Wohnungstür, mein Vater geleitete ihn durch unseren Flur ins Wohnzimmer , in den Händen einen Geschenkkorb so groß und breit, dass
ich nicht wusste wie er es damit durch unseren Flur schaffte, er kam auf meine im Wohnzimmer erstaunt stehende Mutter zu, aus Schillerlings Mund anstatt Trompeten- die schönsten
Schalmei Töne ... mein Vater war zufrieden...
Ich weiß es jetzt nicht mehr so genau, ob ich schon erzählte, die Haustüre von Siebenschläferstraße 29 war in den Tagen der späten
50ern frühen 60ern nie verschlossen!
Auch die von Nr 27 und 31 nicht, obwohl von Polizei!
Es waren gewöhnliche Holzhaustüren mit einer Türklinke zum niederdrücken, dann ging die Tür auf . Wenn man wollte dass die Tür verschlossen
war, mußte man sie mit einem Schüssel zusperren, was selten gemacht wurde. Zum Ärgernis der Hausbewohner mit einem ausgeprägterem Sicherheitsbedürfnis!
Na ja das Schloß war auch nicht gerade kompliziert, die selbe Art wie die Wohnungstürschlösser, einzelne, fast keine Hausbewohner,
Schillerlinger ? hatten sich ein Sicherheitsschloß einbauen lassen, wir auf Nr 10 nicht, ich hatte mir aus einem 100er Nagel ein Dietrich gebogen, mit dem sperrte ich mir immer
auf....
Erst viel später ging man mit der Zeit und "Die neue Heimat" ließ ein Sicherheits-Update vornehmen : auf der Haustüre war keine
gemeine Türklinke mehr, sondern ein starrer Runder Knauf, so wie heutzutage an allen Haustüren, wenn die Tür einschnappte konnte man sie nur mit einem Sicherheitsschloß-Schlüssel öffnen und
es gab eine Sprech- und Gegenspräch-Anlage, drückte man auf den Klingelknopf meldete sich der Angeklingelte über einen gespenstisch klingenden kleinen Lautsprecher neben der Tür und wenn in der
Wohnung oben einem Knopf gerückt wurde, summte es unten bei der Haustüre so, als wäre ein fette Fleischfliege zwischen Tür und Türrahmen eingeklemmt, die Tür
öffnete sich mit einem erlösendem Knacken, wir empfanden das als ganz modern - heutzutage so, als wäre es immer gewesen...
Davor war wie gesagt, unsere Haustür immer in verschieden Offenheits-Zuständen: Halboffen, Angelehnt, Drei viertel auf, Ganz auf, halt so
wie es sich zufällig ergab, je nach dem wie weit der Schwung reichte, mit dem wir die Tür hinter uns zufallen ließen, oder nicht, wenn wir ins Freie rannten,
nach bloßfüssig die Stiegen im kühlen Stiegenhaus mit nackten Fersen herunter-trommeln, immer zwei Stufen und die letzten drei auf einmal, sich eine "Net so laut" Rüge
durch die halbgeöffnete Tür Nr 2. oder Eins eingefangen...
Eines Tages schwemmte das Leben eine verzweifelte Frau durch die offene Tür in unser Stiegenhaus!
Bedrängt von einem Mann, mit olivfarbener Gesichtshaut und fettglänzend schwarzem Haar , welcher nicht und nicht von ihr
abließ...
Die Frau, Roma Typ, so in den Dreißigern, hilfesuchend verzweifelnd hektisch an Türen klingelnd, das Stiegenhaus war plötzlich von
irrwitzigen Lärm erfüllt, der sich im halligen Stiegenhaus vervielfachte!
Baumlinger in Nr.2 öffnete die Tür einen Spalt, so als wollte er sich über den Lärm beschweren, schaute dumm aus der Tür, sah die
verzweifelte Frau, deren Hände wie Flügel eines in die Enge getriebenen Vogels in Richtung flatterten...
Baumlinger war ja ein "tapferer Mann", hatte sogar ein Gewehr!
Mein Vater fragte ihn einmal: "Für was brauchst du ein Gewehr!?", "No wenn do in unsan Keller ana si' rum treibt, a Einbrecher, zum Beispiel
, den da schiaß i, sog i da, do kenn i nix!"
"Ja aber was ist wenn du einen völlig Unschuldigen trifftst?!
" Aber des was dann hinterher eh kana ..."
...Die Hilfe suchende Frau flehte den verdutzten Baumlinger durch seinen Türspalt in einem Fremdländischen Akzent an: "Biitte,
biitte, heelfen sie mirrr...!
Während der bedrohliche schmierige Typ sie bedrängte! Aber bevor sie überhaupt fertig flehen konnte schlug Baumlinger mit entsetzten
geweiteten Augen, mit einer kurzen scharfen Bewegung seine Wohnungstüre zu, so das es nur so durchs Stiegenhaus knallte!
Nachdem ich die Szene, die sich im Parterre abspielte, von der ersten Halbstiege zum 1.Stock aus beobachtete: glaube ich mich Erinnern zu
können; mich in unsere Wohnung im 3.Stock zurückgezogen zu haben, ich weiß noch wie ich aus dem Fenster nach unten blickte, den nächsten Akt dieses Geschehen beobachtend....
…Ich schaute aus unserem Fenster hinunter, auf den Gehweg von Siebenschläferstraße 29 zu Siebenschläferstraße 31...
Hausmeister Ranninger in weisslich-grauem welken Unterhemd, kurzer Turnhose, aus denen weissliche Beine, mit bläulichen Adern
schauten, mit strengem Blick, eng an seiner Seite der mißmutig dreinblickenden "Gefährder" (würde man heute sagen), mit seinem olivfarbenen Teint und fettglänzend schwarzem Haar, kommen aus
der Haustüre Nr 29, die wieder mal offen steht heraus.
Hausmeister Ranninger, den "Gefährder " abführend, professionell mit Polizeigriff fixiert ,
allerdings improvisierend mit einem Strick, statt anstatt mit Handschellen gefesselt...
Neben dem Hausmeister und dem sich in "gerade abgeführten Zustand befindlichen Gefährder " sah ich Geiger
Herzig mit seinem glatten Violinisten Gesicht, vergnügt, beinahe wie ein Kind hüpfen, dem Ranniger auf die Schulter klopfen, während er rief: "unser Ranninger, ha,
ha..unser Ranninger, ha, ha..."
Das Trio bewegte sich in Richtung Polizeiblock Hausnummer 31 wo Ranninger im 3.Stock wohnte!
Er war praktischerweise Polizist und Hausmeister, frei nach dem Motto der Polizist im Haus ersetzt den Bodygard.
Man könnte auch resümieren: Es ist praktisch einen Bodyguard zu haben, der auch als Hausmeister einsetzbar ist...
Ranninger, Polizist und allmächtiger Hausmeister, groß, blaß und Cholerisch, weißer Glatzkopf, umkranzt von fahlen Locken, die
traurig von einem Lockenkopf aus fernen Zeiten erzählen!
Seine Aufgabe war es, den Rasen rund ums den Block mit den Hausnummern 27, 29, 31, zu mähen und war zuständig dafür, allfällige Beschwerden
und Denunziationen der Bewohnern, aus eben dem selben Wohnbereichen entgegenzunehmen. Insbesondere Delikte, die die Nichteinhaltung der Hausordnung betreffen!
Wenn er auftauchte wurden war bei uns Kindern Vorsicht angesagt, denn es kam immer wieder vor, dass er uns im wütend brüllendem Kasernenton,
wie ein Feldwebel seine Rekruten, herunterputzte, für alles mögliche was Kinder so tun....
OK zugegeben, machmal auch nicht zu unrecht!
Z.B. Einmal hatten wir Kinder einmal eine Blasrohr mit Fensterkitt-Muition Phase...
...sich entwickelnd aus einem Fund von Metallröhren ca 1m lang ca 8mm Durchmesser auf einer Baustelle... Fensterkitt beim Glaser war nicht
teuer...
In allem was damit zusammenhing, war ich ziemlich gut, konnte weit schießen und traf so ziemlich alles!
Mit Ranningers Sohn Ferdl verstand ich mich gut, wir betrieben gemeinsam "Free-Ride Biking " auch wenn es diesen Ausdruck damals noch nicht
gab, einfach Trampelpfade die in den Salzachauen ausgetreten waren rauf und runter radln...
Apropo Radln, wir hatten Radl, keine Bikes...
Die Ranningers wohnten im 3.Stock, Siebenschläferstraße 31, das heißt, eigentlich gleich neben uns, von vorne auf die Hausfront gesehen nur
durch eine Dachrinne getrennt!
Beide Wohnungen hatten etwas gemeinsam, man konnte - man gut aus ihren Fenstern auf die -Zeile, der auf einer schmalen, ca. 10 cm
starken Waschbeton-halben-meter-schmalen Plattform, - aufgereihten Mülleimer, am Rande des asphaltierten Gehwegs von 29 zu 31, schauen, ausserdem - gut den lärmtosenden
Akt ihrer Entleerung verfolgen ...
Die Mülleimer der damaligen Zeit unterschieden sich deutlich, von den heutigen!
Eisenblech-Trommeln, ca. 3 +- mm Wandstärke, mit Runden ca. 50 cm breiten Klappdeckel, Kegelförmig ca. 1,20 meter
hoch!
Müllmänner in Blau drehten sie geschickt, fast wie Kreisel , wenn sie sie zum Entleeren hinten zum Müllwagen beförderten, diese bei
einer Vorrichtung einhängten, die den Eimer schnaubend hochkippte, dann, sozusagen, ex in den Müllwagen ausleerte.
Der leere Eimer wurde wieder ausgehängt, um - lärmintensiv zu Boden zu scheppern , als hochhüpfender blechtönender Troll,
von den starken geschickten Händen, der Männer in Blau geschnappt und - zu seinem Standplatz zurückgekreiselt zu werden.
Der Müllwagen brüllte dieselgurgelnd auf, die Müllmänner schwangen sich auf ein kleine, hinten am LKW befindliche
Plattform und waren dahin!
Ich beobachtete das gerne...
Müllmann, ein Traumberuf!
Einmal - ich ging gerade mit meinem Blaß-Rohr bei den Mülleimern vorbei, rief Ferdl aus dem weit geöffneten Fenster der elterlichen Wohnung
3.Stock Hausnummer 31 zu mir hinunter:"Triffst mi eh net"! Ich lud mein Blasrohr mit einem frischen weichen Kitt-Batzerl setzte an, schoß, in aufsteigender Parabel flog der weiche braune
Kitt auf das geöffnet Fenster und direkt auf das Ziel - Ferdl zu, dieser aber reaktionsschnell, wie wir damals alle waren, wich noch rechtzeitig aus, so dass der Schuss an ihm vorbei
ging, aber doch noch so viel Schwung hatte, um auf dem Plafond im Wohnzimmer des Polizisten und allmächtigen Hausmeisters Ranninger, zu klatschen und einen braunen Fleck zu
hinterlassen!
Weil mich Ferdl erneut noch einige Male zu neuen Schüssen provozierte, die ähnliches zur Folgen hatte, war der Plafond bald schön braun
getupft...
Rückblickend muß ich sagen, außer theatralisch heruntergeputzt zu werden, war nichts passiert... Ranninger hätte ja
auch sein Wohnzimmer ausmalen lassen könne und die Rechnung meinem Vater schicken ..
Baumlinger war einer der ersten, der 1974 einen der 35
Millionen VW Golf kauften!
In Rot!
Er war damit vor der Haustüre Siebenschläferstraße 29. vorgefahren!
Der Wagen , mit der vom italienischen Fahrzeug Designer Giorgio Giuliaro entworfenen Karosserie, stand da, strahlend glänzend, wie
eine Erscheinung, beinahe indirekt leuchtend, im Nachmittagsschatten unseres 3-Stöckigen Hauses, wie ein schönes Tier, das nicht zu seinem Besitzer paßte, der mit seligen Blick
daneben stand…
Ich war auch überrascht, dass Baumlinger sich so ein Auto kaufte!
Ein Golf sagte ich…
Ja, sagt er mit leuchtenden Augen…
Die Autos wurden moderner und ich wohnte schon fast nicht mehr hier, in Siebenschläferstraße 29…
...Ich hatte eine Mädchen kenngelernt...
Ihre Augen blau, grün, grau ...genau richtig genug viel Blau, Grau und Grün, genau richtig nicht zu viel Blau, Grau und Grün und
so wie immer schon Dagewesen, vom Anfang aller Zeiten: Silvi
Der Finger in ihrer Nase war viel zu dick!
Kein Wunder, denn es war nicht ihr Finger, sondern der Finger ihres deutschen Großvaters!
Und der war Schmid.
Er war das dritte Kind von neun Geschwistern einer deutschen Bauersfamilie.
Damals war es Tradition:
Der Erstgeborene übernahm den Hof, der Zweite wurde Pfarrer, der Dritte Schmid!
So war das immer schon, auch bei den Kohlheims!
Bei den Kohlheims hat es gut gepasst, denn Volker der dritte Sohn war groß und hatte kräftige schwielige Hände mit dicken
Fingern.
Einen davon, den fürsorglich mit einem Stofftaschentuch überzogenen Zeigefinger, zog er wieder aus Silvias kleines rechtem Nasenloch
heraus mit einem Nasenpupel als Beute darauf, den er der kleinen Silvi stolz präsentierte: "Siehst du Silvi, wenn man Nase bohrt soll man sich ein Taschentuch über den Finger legen, das gehört
sich so..."
Nicht lange nachdem Silvi endlich erleichtert vom Schoß ihres Opas mit den baumstammdicken Oberschenkeln rutschte, wurde sie von ihrer von
Oma verfolgt: "…Silvi Haarewaschen!"
Silvi haßte Haarewaschen!
Sie bekam jedesmal Panik, wenn ihr das Wasser ins Gesicht rannte und wenn es nur der kleinste Tropfen war, nahm Silvi reißaus, geschickt wie
eine Katze entwand sie sich den Händen ihrer Großmutter und flüchtete schreiend durch die große Berliner Wohnung!
Als es der Oma endlich gelang der Kleinen den Fluchtweg abzuschneiden, warf ihre Enkelin sich brüllend zu Boden und strampelte mit
Beinen!
Nur ein Oetker Schokolade Pudding, den die Oma auf ihrem Gasherd blubbern ließ und der kleinen Silvi sehr gut schmeckte, konnte da Abhilfe
schaffen...
Ihre frühesten Kindheitserinnerungen, stammten aus Berlin...
Silvi war damals vier, vielleicht etwas jünger, ihr Bruder drei, vielleicht etwas jünger und sprachen damals nur noch
Deutsch!
Zum Entsetzen ihres Vaters, der die beiden, inklusive Ehefrau zurück nach New Kensington deportierte !
Grandpa hatte eine Anzeige wegen Kindesentführung aufgegeben!
Es gab "Deutschverbot" für die Kleinen, nicht lange und das einzige deutsche Wort an das sich Silvi erinnern konnte war "Pobabutz'n", ein
Zauberwort, dessen einzelne Bedeutung sie nicht kannte, aber das insofern funktionierte: wenn sie es schrie, nach dem sie gegackt hatte, über den Badewannenrand hängend bekam sie Po
geputzt!
Es war ungefähr zehn Jahre her, " Nachdem der amerikansche GI Harry Howe sich in eine Berlinerin verliebte und diese aus dem
beinahe dem Erdboden gleichgemachten Berlin zu sich nach Hause in die USA mitnahm, nicht wissend dass dort schon eine Braut auf ihn wartete..."
...Was danach geschah liegt irgendwie im Dunkeln...
Klar war: Für die Braut die Grandpa Murphy für seinen Sohn gekauft hatte, während dieser in Deutschland gegen die Nazis kämpfte, der aber
"Überraschung..." mit einer Anderen heimkehrte, wurde eine Lösung gefunden: Grandpa heiratete sie...
Im Dunklen liegt weiter: Wie wurde Gudrun, die Geliebte aus deutschem Feindesland von der Verwandtschaft des Sohnes
aufgenommen?
Wie hatte Gudrun sich das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" vorgestellt, in das sie mit ihrem strahlenden Held, dem amerikanischen
GI einreiste?
Eins war nachvollziehbar:
"Raus!"
Raus aus dem Trümmerfeld Berlin!
Rein in ein; sich im Prozess , der sich ständig hinausziehenden Fertigstellung, befindlichen; Haus zwischen "Poison Wood
and Poison Eibi" im angeblich dicht besiedelten Osten der USA, nahe dem Kaff New Kensington, nahe der rauchenden Stahl-Stadt Pittsburg am Zusammenfluss Allegheny und
Monongahela River, die hier zum Ohio verschmolzen, auf dem die Kohle für die glühenden Stahlöfen per Schleppkahn geschippert wurde.
"Burg" in Pittsburg kommt nicht von ungefähr, wurde es ja um Fort Pittsburg gebaut, welches eine ausgesprochene vorteilshafte strategische
Lage am Zusammenfluss reißender Ströme für sich verbuchen konnte und deshalb, denke ich eine wichtige Rolle in allen möglich Indianer-, Französisch-Englisch-, und Unabhängigkeit-Kriegen
spielte; müßte man mal recherchieren...
Vielleicht war Lederstumpf-Daniel Bone auch schon hier...
Harry Howe war auch so sein Art "Lederrstrumpf," oder besser "Stahlstrumpf", der im Pittsburger
Stahlwerk alles zusammenschweißte, was das aufstrebender Amerika der 50er so benötigte und das ohne, wie auch immer gearteten Atemschutz!
Er starb 1963 an einem krebsartigem Magengeschwür mit Einundfünfzig, ein Monat vor seinem 52ten
Geburtstag.
Nach seinem Tod geriet der Boden unter den Füßen seiner Familie ins Schwanken und öffnete sich...
unter dem, eines per ungedeckten Scheck bezahlte Fluges nach der Heimatstadt Gudruns, Berlin; auf der Flucht vor
Gläubigern...
Während die Mutter verhaftet wegen Scheckbetrug Einsaß, waren ihre Kinder allein auf sich gestellt in dem fremden
Land!
Die in Kindertagen erworbene deutsche Sprachkenntniß, aus der Zeit als Gudrun mit den kleinen Kindern zu ihren
Großeltern aus der "Poison Wood and Poison Eibi " Enge nach Berlin floh, war ja durch das"Deutschsprech-Verbot" des Vaters erfolgreich aus Gedächtnis
gelöscht...
Die Betreiberin des Hotels, in dem sie zuletzt eingecheckt waren, kam auf die Idee, eine nichtbezahlte Hotelrechnung von
den Kindern abarbeiten zu lassen!
Entließ alle Angestellten, die sie ja nicht mehr brauchte, denn die Kinder bezogen die Betten, putzen und bereitete das Frühstück für die
Hotelgäste, räumten ab, wuschen das Geschirr, Kinderarbeit wie in alten Tagen!
Die älteste Tochter heiratete in ihrer Not einen im Kieler Hafen kennengelernten Matrosen der sie mit nach Hause, Bad Reichenhall in Bayern
nach.
Silvy und ihr jüngerer Bruder wurde kurz in ein Kinderheim an der Ostsee verfrachtet, folgten aber bald ihrer großen Schwester nach Bad
Reichenhall, wo ihnen die Mutter nach entlassener Haft folgte.
Da die Mutter mit Fantasie und schauspielerischer Überzeugungskraft ausgestattet, es liebte ihren aus der Lebensversicherung des
verstorbenen Mannes bescheiden finanzierten Lebensunterhalt mit kleinen Betrügereien aufzubessern, mußte sie bald über die nahe gelegene Grenze nach Österreich fliehen, im Gepäck Silvy und
ihr Bruder Tim!
Zuerst im Salzkammer, dann schließlich in der Strubergasse in Salzburg eine Wohnung beziehend, bald wieder verhaftet zu werden, nach
Haftstrafen-Absitzen in die Schweiz abgeschoben zu werden, hatte Silvy jetzt schon knapp fünfzehn, die Nase voll von ihrer Mutter.
Sie wollte die Odyssee nicht mehr mitmachen, und blieb mit ihrem Bruder alleine in Salzburg zurück. Silvy und Tim werden ihre
Mutter nie mehr wieder sehen!
Cello: Quintenstimmung war anscheinend doch nichts mich....
Immerhin mußte man 3 Töne greifen ehe man zur nächsten leeren Saite gelangte:
C D E F
G A H C
D E F G
A H C D
(Die fettgedruckten Buchstaben symbolisieren die leeren Saiten)
...es lag einfach alles zu weit auseinander um Lust darauf zu bekommen Akkorde zu spielen...
und keine Bünde ...
...anders auf der Gitarre...
E F G
A H C
D E F
G A
H C D
E F G
Allein schon wenn man D G H als leere Saiten anzupfte, hatte man schon ein G-dur Quart-Sext Akkkord ohne mit der
linken Hand irgend etwas greifen zu müssen, G H E ein E-Moll Sext Akkord detto ... wie schon in einem vorherigen Absatz erwähnt, braucht man nur mit dem Zeigefinger auf der
hohen E Saite am 1. Bund zu greifen, anzuschlagen mit dem anschlagen der leeren Saite D G H ergab sich ganz easy ein G7 Akkord mit der Quint im Baß...
Diese Art von Leichtigkeiten von Kombintionen ließen in ähnlicher Weise in allen Lagen finden und überraschende Zusammenklänge entdecken,
kein Wunder bei 6 Saiten mal 18 Bünde ergeben mehr Kombinationsmöglichkeiten als beim Schach mit 8 mal 8 Feldern, dessen Möglichkeiten bekanntermaßen bisher immer noch nicht voll
ausgeschöpft sind !
Die Folge war: dass ich mich auf der Gitarre mich weiter entwickelte, obwohl ich autodidaktisch lernte, als am Cello, das ich am
Mozarteum studierte...
Im Gegensatz zu meinem Vater der in den 30ern an der Wiener Musikakademie sehr erfolgreich dieses Instrument studierte, obwohl er als
Hungerstudent von 30 Schilling am Tag auskommen mußte, die er meistens in einer Gulaschsuppe anlegt und "Bettgeher" bei einer Kriegswitwe war,
entwickelte er sich zum Hoffnungsträger für seinen Cellolehrer Krotschak...
Für meinen Cellolehrer Weigel war ich eher ein Sorgenkind ...
Die Cellostunden wurden für mich und ihm zur Qual...
Vor der Cellostunde saß ich in einem der Übezimmer und versuchte noch etwas zu retten von der Dotzauer-Etude die ich aufbekommen habe und
die jämmerlich klang...
Die Morgensonne schien schräg durch die großen Dachfenster des alten Mozarteum Gebäude, eigentlich war das ein schöner Anblick, doch die
Sonne schien an mir vorbei...
Kling, Klong, Kling, Klang, Kling , kleng...die Faltige Reinigungsfrau ließ gerade ihren Putzlappen über die Klaviertasten des
Klavieres in einem der weiter entfernten Übungsräume huschen...
Die quintigen fetten Saiten meines Leih-Cellos wollten sich nicht mit meinen Fingern arrangieren, waren bockig, wie ein Pferd daß sich nicht
reiten lassen wollte, ich setzte meinen Bogen erneut an ...als Ergebniss ein Ton der einem Dudelsack Ehre gemacht hatte...
Kling, Klong, Kling, Klang, Kling , kleng...dieses Mal schon näher, es war Zeit meinem Lehrer vorzuspielen...
Als auf ins Unvermeidliche...
...Danach: Das rundliche Gesicht des alten Weigel zeigte sich säuerlich-unpässlich...
Der Gedanke einmal eventuell in einem Orchester eine Anstellung als Cellist zu bekommen rückte in unsichtbare Ferne...
Kling, Klong, Kling, Klang, Kling , Kleng...die Faltige Reinigungsfrau ließ gerade ihren Putzlappen über die Klaviertasten des
Klavieres in dem letzten Übungsraum huschen...
Der Gedanke Gitarre studieren hingegen entwickelte sich immer mehr zum Sehnsuchtsgedanken...
So ging ich zu meinem Vater und offenbarte ihm meinen Wunsch...
Mein Vater, infiltriert vom Feedback meines Cellolehrers, der gleichzeitig sein Orchesterkollege war und beiden meine fragwürdigen
Leistungen wahrscheinlich peinlich waren, hatte, denke, ich, schon länger um eine Lösung des Problems gerungen und als ich ihm erzählte dass ich schon Schüler hatte, die mir für Gitarreuntericht
sogar Geld zahlten, viel ihm die Entscheidung in den Schoß...
...auf diese Weise bahnte sich mein Lebensweg in die Richtung,in die ich seit über 50 Jahren wandere, nähmlich: Ein
Gitarrist zu sein!
Neulich dachte ich:
"Seltsam, als Gitarrist ist man ja genau genommen ein Handwerker (und das im Wortwörtlichen Sinn) der etwas herstellt wie jeder andere
Handwerker auch, aber das man herstellt kann man nicht angreifen und es dennoch real ..."
Ein gemeinsamer Freund von Hein und mir war Helmut Kowi er hätte so als Typ ohne weiters als Vorlage zur der Figur des Don Qujotte dienen
können...körperlich wie geistig... war stets angetrieben zu einer Suche nach irgendetwas, das ihn ausfüllten könnte, ihm Sinn schenkte und wenn er glaubte es gefunden haben, war
er überzeugt, das es das einzig Richtige war und nichts anderes zählte...
... Das ging eine Zeitlang so, bis der schillernde Reiz des Neuen verflogen, dann begab er sich erneut auf die Suche
...
Eines Tages wollte Helfried Kowie bei mir Gitarre lernen...
Und wie das Narativ es so will, kam es so weit, das er den Gitarreuntericht bei mir aufgeben wollte, da es ihm aber peinlich war, sagte er
mir, dass er zwar nicht mehr bei Gitarre lernen will, er aber eine Ersatzschülerin für mich hätte...
So lernte ich Susan kennen !
Und wie das damals so war,
wenn man sich küsst war man ein Paar...
Susan und Tommy mieteten sich im Haus in der Strubergasse in dem sie bisher mit ihrer Mutter eine Dreizimmerwohnung im 3.Stock
bewohnten, im Keller eine Zweizimmerwohnung, lebten äußerst sparsam von der amerikanischen Halbwaisen Rente von "Sozial Security"
Eine im selben Haus im Zweiten Stock lebende alte Amerikanerin mit Jüdischem Hintergrund übernahm auf Bitten der amerikanischen Botschaft
provisorisch die Vormundschaft, eine Leistung mit der sie in ihrem Bekanntenkreis prahlte und die sie sich von den Kindern mit Arbeiten in Haus und Küche abgelten
ließ...
Tom wollte Gitarre lernen kaufte sich eine, ließ sie aber bald unbespielt in einer Ecke stehen, worauf Susan dafür lebhaftes Interesse
zeigte...
Beide freundeten sich mit gleichaltrigen Jugendlichen aus der Umgebung an, darunter Robert Fadl und sein Freund Helmut Kowi... sie
fragte ihn, bei wem er Gitarre lernt...
So lernte mich Susan kennen ...
Und wie das damals so war,
wenn man sich küsst war man ein Paar...
Wir heirateten an einem schönen 7.Maientag 1976, danach mieteten wir eine Dachwohnung in einer alten Leopoldskroner Villa die
zwei schon etwas schrulligen alten Ehepaaren gehörte, deren Kindertage noch in die Österreichische Monarchie zurückreichten...
Damit war meine Zeit in der Siebenschläferstraße 29 beendet ...
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Siebenschläferstraße 29
Epilog (Die Zeit vor der Zeit)
Wie lange dauert die Gegenwart, oder sollte man besser fragen, wann endet die Zukunft und wann beginnt die
Vergangenheit?
Was mir erst jetzt langsam zu Bewusstsein kam, meine Generation in Mitteleuropa war in einer eher friedlichen Nische der
Geschichte aufgewachsen ...
Das größte Drama seit dem Dreißigjährigen Krieg; zwei Weltkriege die in deutschen Landen Tabula rasa machten und eine
bizarre gesellschaftliche Orientierungssuche, die die deutschesprachige Kultur ins Altertum recretieren ließ und gründlich auszählte; war vollbracht!
In dem, unter dem Protektoriat eines neuen "Roms im Westen" (USA) zur Phönix aus der Asche wiedererstandenen Länder, wuchsen
wir auf.
Das Wort Frieden in seiner wirklichen Bedeutung kannten wir nicht, wie alle Wörter die man nicht kennt, die etwas bezeichnen was
einem selbstverständlich ist, von dem man nicht einmal weiß, dass es selbstverständlich ist...
Allein die Hintergrundstrahlung des vergangenen globalen Supergaus, in den Gehirnen unserer Eltern; ( ähnlich wie
die von Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson zufällig entdeckte Urknall Hintergrundstrahlung, die im Fernseher der 40er nach Sendeschluss den "Schnee" erzeugten ); blieb
unbemerkt, überdeckt vom Wirtschaftswunder-Lärm, omnipräsent ...und prägte uns, und klingt in uns und unseren Kindern und Enkelkindern weiter ...
Nachdem die Flüchtlingsströme aus allen blutenden Wunden Europas allmählich abebbten, in Barackenlagern vorläufig versorgt; in
unserer Nachbarschaft war ein solches, ich war in der Volksschule mit einem Jungen, der in einem solchen wohnte befreundet, (war ich doch selbst ein Halbflüchtichtligskind
mütterlicherseits.
Nachdem abgeschobene Kinder aus Liaisonen, mit Besatzungsoldaten eine Familie gefunden hatten, die sie adoptierten, wie zb
Jonny mit dem schwarzen Kraushaar und der Ebenholz farbenen Haut, der mit mir in der Volksschule, die aus dem Sudetenland geflüchtete Lehrerin teilte.
Nachdem meine Mutter mit ihrer Violine unterm Arm, bis zum Bauch im Schnee die tschechische Grenze Richtung Österreich, gemeinsam
mit Faktor, dem Kollegen aus dem Olmützer Orchester überquerte.
Nachdem mein Vater die Stelle des ersten Flötisten im Mozarteum Orchester antrat; ohne ein Probespiel machen zu müssen, weil er vor dem
Krieg ein Probespiel bei den Wiener Symphonikern bestanden hatte, nach dem Krieg aber dort die Stelle nicht antreten konnte, da diese an einen Musiker mit jüdischem Hintergrund vergeben
wurde, sozusagen als Wiedergutmachung was dem jüdischen Volk widerfuhr, die mein Vater hier leisten mußte, er danach quer durch die Lande tingelte, mit dem Vokalensemble "Komische Sänger,
singende Komiker" in Barbashop- Stil, auf verschiedenen Bühnen mit verschiedenen Programmen wie zb Zauberer, Komiker, Volksmusik... ect .
An einer dieser Bühnen lernte er seine zweite Frau kennenlernte, wodurch seine erste Frau, die Mutter meines Halbbruders
Heinz, seine erste Geschiedene wurde.
Seine zweite Frau wurde zu seiner zweiten Geschieden, nach dem mein Vater sich bei einer verheirateten Frau mit fünf Kindern, mit
gemeinsamer Liebe zu Rainer Maria Rilkes Lyrik, Liebeskrank gemacht hatte.
Im Mozarteumorchester traf er auf seine zukünftige dritte Frau, eine aus Olmütz geflüchtete Geigerin.
Nachdem ein Kollege in einer Orchester-Proben Pause meiner Mutter sagte, draußen wartet ihr Vater auf sie, obwohl ihr Vater, vor
nicht allzulanger Zeit gestorben war und vielen anderen ähnlich Ereignissen landen wir hier, in der:
Siebenschläferstraße 29
.....Die Hausnummer zum Stiegenhaus zu den Dienst-Wohnungen der Musiker des Mozarteum Orchesters Salzburg, die zwischen der
Siebenschläferstraße 27, die Hausnummer zum Stiegenhaus zu den Dienst-Wohnungen der Polizei und der Siebenschläferstraße 31, die Hausnummer zum Stiegenhaus zu den
Dienst-Wohnungen der Polizei liegen!
Ein Wohnblock der "Neuen Heimat" in Salzburg Lehen in den 50ern und 60ern
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass man sicher gehen wollte, das Volk der Musiker unter Kontrolle zu halten zu wollen; nach dem
Motto, man weiß ja nie...oder sicher ist sicher; nach der Art wie man einen Verdächtigen abführt, je links und rechts einen Polizisten, nur dass es hier jeweils gleich ein ganzes Haus voller
Sicherheitsbeamten war...
Dabei waren das Volk der Musiker, die hier in der Siebenschläferstraße 29 ansässig waren, alles andere als etwa wild, oder gar
gefährlich!
Im Gegenteil, sie waren alles brave Musik-Beamte die sich dankbar ihrem Dirgenten unterordneten, wie Hennen dem Hahn. (Mit einer
Ausnahme; mein Vater, dem bei Dirgenten gefürchtete Betriebsrat).
Zutiefst bürgerliche Existenzen, die täglich ihren Mittagsschlaf absolvierten und wehe wenn wir Kinder da Laut waren, was auch
richtig war, denn am Abend mussten die Musiker ausgeschlafen sein, wenn sie etwa zum zweihundertsten im Salzburger Landestheater "Die Zauberflöte" spielten.
Große Liebe war selten dabei und sie wurden bei geselligen Beisammensein nach einem Konzert im Wirtshaus nicht müde, das immer wieder
zum Ausdruck zu bringen; so etwa der Cellist Mali Senior: "...weißt du was ich mache, wenn ich in Pension bin? ich stelle mein Cello in eine Ecke und jeden Tag pinkle ich einmal
drauf..." er zwinkerte verschmitzt dabei, während er an seinem Weinglas nippte...
Abgesehen von seiner Hassliebe zu seinem Cello war Hein Mali Senior ein herzensguter mitfühlender Mensch, obwohl meine Mutter erzählte,
er habe früher seine beiden älteren Söhne geschlagen, was er jetzt bei seinem Jüngsten, meinem Freund Hein Junior, nicht mehr mache...
Die Familie Malsy spielten in diesen Jahren keine geringe Rolle in meinem Leben, ihre Wohnungstür im zweiten Stock war mir ebenso
vertraut, wie an ihrem Klingelknopf zu drücken und geöffnet zu bekommen.
Man kam von der Wohnungstür direkt in den Flur, der nach rechts zum Wohnzimmer mit dem großen runden Biedermeier Tisch führte, in dem
der alte Mali residierte.
Nach links kam man in das zum Kinderzimmer umfunktionierten Schlafzimmer, in dessen Richtung Frau Mali "Hein, der Peter..." rief, nach
dem sie die Die Familie Mali spielten in diesen Jahren keine geringe Rolle in meinem Leben, ihre Wohnungstür im ersten Stock war mir ebenso vertraut, wie an ihrem ohnungstür
für mich geöffnet hatte...
Die Malis die im 1. Stock wohnten, waren uns Schwarzbauer die im dritten Stock wohnten, bezüglich der Alltagskultur der
Wirtschaftswunderjahre immer ein bisschen voraus, so sah ich zb bei den Malis zum ersten Mal in meinem Leben einen Camenbert, "Sirius Camenbert", perfekt durchzogen, der natürlich dem
alten Mali vorbehalten war; sie hatten einen Fernseher, vielleicht war das der Grund, warum wir dann auch bald einen bekamen, ich erinnere mich noch, wie ich staunend seine Anlieferung
erlebte, wie mein Vater schimpfend daran scheiterte, die Sender einzustellen, was dem, uns zuhilfe geholten alten Mali im Handumdrehen, mit triumphierenden Grinsen gelang
..."Österreich 1, Österreich 2, Deutschland 1 und sogar Deutschland 2 "...
So war auch Hein Junior, mir immer ein Stück voraus, wenn nicht sogar mehr, vielleicht frühreif, ich dagegen von einem Kokon aus
Naivität umsponnen, leichtgläubig!
Hier ein Beispiel: Als der etwa gleichaltrige Polistensohn Marc Gmeilbau; aus der Siebendschläferstraße 27 auf
dem Parkplatz des zehnstöckigen Nachbarwohnblocks, das"Hochhaus" genannt, auf mich zukam, an seiner Seite leicht den Arm um ihn legend, einen etwa um einen Kopf kleineren Jungen mit
leicht schiefen, boshaft grinsenden Gesichtszügen und abstehenden Ohren , ein "Hochhaus" Bewohner; zu mir sagte: ..."Der do hot an Ponza...", (der da hat einen Panzer) mit einer
Kopfbewegung zu dem kleinen, "...und der schiaßt eia Haus zamm'" (und der schießt euer Haus zusammen), da drehte ich mich um und machte mich schluchzend auf den Weg heim. Frau Huti die
Frau des slowakischen Fagottisten aus Siebenschläferstraße 29 Top 3, kam zufällig des Wegs: "Jo Peta warum weinst den ?!" Sie war gebürtige Pidingerin, Piding das ist ein kleines
Nest auf bayrischer Seite, unmittelbar an der deutsch-österreichischen Grenze.
Nachdem ich ihr von der traumatischen Offenbarung des Polizistensohnes Marc erzählte, antwortete sie..."obo geh' so a Bledsinn!" Worauf
ich ihr, ob ihrer Unerschrockenheit Bewunderung zollte...
Nach dem mich Frau Mali durch ihre Wohnungstür hereingelassen hatte, ging ich immer selbstständig nach links durch den dunklen Flour,
ein Lichtstrahl der aus dem hellen Zimmer, der durch den immer größer werdenden Spalt in den dunklen Flour drang, während ich die Tür öffnete, blendete mich.
So war es immer, als ich meinen Freund besuchte und er war meistens mit irgend etwas beschäftigt und meistens begrüßte er mich wie
nebenbei, gleich ich, der ich, wie nebenbei sein Zimmer betrat...
Einmal erinnere ich mich, sagte seine Mutter nachdem sie mich herein ließ: ..."er schläft..."
Ich trat an sein Bett, tatsächlich er lag schlafend in seinem Bett, mit seinem typischen Kraushaar das er nicht liebte, den
Zeigefinger seiner rechten Hand in der Nähe seines rechten Nasenloches, seiner etwas knolligen Nase, die er ebenfalls nicht liebte...
Plötzlich packte er mich, mit einer sich blitzschnell halbaufrichtenden Bewegegung und hielt mich an der Hand fest..."Jetzt hob'
i' di!" (Jetzt habe ich dich)
Ich erschrak stocksteif reglos; ich war eben leicht zu beeindrucken, in keiner Weise in der Lage "Jetzt hob' i' di!" sofort als
Blödsinnig wahrzunehmen; während er sich im Bett aufsetzend mich mit dem Hinweis auf die Scherzhaftig des eben gesagten, meine Beunruhigung auflöste ...
Die Mutter von Heinz, war eine stets positive, auch attraktive Frau, rückblickend würde ich sie auf 30 bis 40
schätzen...
Meine Mutter erzählt mir, dass Frau Mali bei einem blinden Vater aufwuchs und meine Mutter lies durchblicken, sie sei irgendwie
der Meinung, dass durch diese Tatsache, das heranwachsende Mädchen natürlich sehr geprägt wurde, ich glaube vielleicht sie meinte, dass sich das Mädchen dadurch das nötige Rüstzeug
erwarb, um als Erwachsene Frau, für die Ehe mit Musiker gewappnet zu sein...
Frau Mali würde man heute vielleicht als "tough" bezeichnen, aber stets heiter, mit einer Prise Strenge, die Hein Junior des Öfteren zu
spüren bekam, vielleicht auch "smart", unternehmungslustig, die mich z.b. zu Schlittenfahren auf den Mönchsberg mitnahm, zu Fuß, mit unseren Schlitten im Schlepptau, ging sie, mit leichtem
stolzem Lächeln, stets erhobenen Hauptes, ihr knapp oberhalb der Schutern gerade abgeschnittenes blonden Kraushaar leicht im Nacken, mit Hein und mir und auch anderen, ich glaub
den Huti Buben, von Lehen nach Mülln, die Serpentinen auf den Mönchsberg hinauf, zu den Wiesenhängen oberhalb der Mauern; wo wir rotbackig die Schlitten hochzogen, um auf ihnen herunter
zu rutschen, um im Tiefschnee unten anzukommen, dann rotznasig uns wieder hoch kämpften, auf dem Schlitten wieder wie in einem kleinen Boot bei hohen Wellengang hinab zu branden,
die Kleidung starr vor Schnee...
Auch zu den Geburtstagsfeiern von Heinz war ich eingeladen!
Vor einer dieser jährlichen Einladungen wurde ich allerdings von meinem Vater gebrieft, hier zu Erklärung:
Der Beruf, mit dem mein Vater mich, meinen Bruder Jan und meine Mutter ernährte, war Soloflötist im Mozarteum Orchester... Aber seine
eigentlich Berufung war: "Wirtshauskomödiant" (Alleinunterhalter)
In dieser Funktion hatte sich mein Vater schon einen nicht unbeachtlichen Ruf erworben
und war deshalb in allen Wirtshausrunden sehr beliebt...
Nach den nervenaufreibend Konzerten hatten es sich mein Vater und befreundete Kollegen zur Gewohnheit gemacht, in Wirtshäusern, wie z.b.
"Krimpelstätter" oder "Zu den 3 Hasen" bei geselligen Beisammensein, den mörderischen Stress überstandener Konzerttätigkeiten abzubauen, mit unterstützender Zuhilfenahme von weißmützten
Bierkrügen, oder, von meinem Vater bevorzugt, Wein...
Mein Vater hatte ein beachtliches Repertoire an Liedern, die er, sich selbst auf Gitarre oder Klavier begleitend, ausgesprochen
komödiantisch vortrug, hier ein Beispiel:
"Dem Andal sei Sun" ("Dem Andreas sein Son") (Lungauer Trad.)
1.Strofe:
"Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun sein Sun,
Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun..."
(habt ihr ihn schon gesehen, dem Andreas seinen Sohn seinen Sohn usw.),
weiter: "wean g'sehn hot, der muas eam kennt hob'n und wea eam kennt hot, der muas eam g'sehn hob'n..."
(Wer ihn gesehen hat, muss ihn gekannt haben und wer ihn gekannt hat muss ihn gesehen haben...)
Dann wieder: "Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun sein Sun,
Hobt's eam scho g'sen, an Andal sein Sun..."
2.Strofe detto, aber z.b.in der Art eines Sanguinikers, dargebracht: Mein Vater sang die Strofe so, als müsse er sich vor lauter Lachen beinahe an pieseln...
Dem Publikum ging es beinah ebenso...
3.Strofe detto, aber wieder als eine andere Charaktere z.b. ein Melancholiker: Mein Vater sang die Strofe so, als
käme er vor lauter weinen kaum noch zum Singen, zwischendurch tat er so als ob er sich in die Finger schnäuze (mit Lippen und Zunge ein Scheuzgeräusch imitierend) und dann so tat als wische
er sie am Ärmel seines Sitznachbarn ab...
4.5.6. Strofe, detto, dargeboten in unterschiedlichsten Charaktereren...
...das Ergebnis: Rote Gesichter, vor lauter Lachen Tränen in den Augen...
Für den Schluss hob sich mein Vater eine "Spezialstrofe" auf:
Dazu muss man allerdings wissen, dass mein Vater anno 1943 bei einem Fronturlaub vom Rußland Feldzug, in Wien bei seiner
damaligen Frau Gretel; zu dem Schluss gekommen war, genug für Adolf gekämpft zu haben, weil 1000 Jahre hält er das sicher nicht durch!
Hatte schon ein Einfußreicher Musikliebhabender Oberst, ihm wahrscheinlich das Leben gerettet, in dem er den Musiker Schwarzbauer,
genannt "Blatt'l oder „Schwarzblatt', aus dem Stalingrad-Kessel ausfliegen ließ, rettete ein musikfreundlcher Kamerad bei der Sanität ihn, in dem er ihm von Zeit zu Zeit
einen Zahn zog, mit verschwörerischem Augenzwinkern:"...na der Zahn is a hin, der muas a ausi..."und mein zukünftiger Vater dadurch immer wieder aufs Neue dienstuntauglich wurde und die
Abkommandierung zu der Schlacht nach Monte Cassino, die er wahrscheinlich nicht überlebt hätte verhindert war!
So tauschte er Zähne gegen Leben und die Möglichkeit mich 10-12 Jahre später zu zeugen um mich diese Geschichte hier schreiben
lassen...
Zusätzlich konnte er nach Belieben seine Zähne herausnehmen und wieder einsetzen, etwas, das bis dato noch nicht fertig
bringe...
Letzte Strofe, detto, dargebracht als Zahnloser: Er hatte unauffällig sein künstliches Gebiß herausgenommen und
heimlich irgendwo versteckt und sang "...Hopff't eam fo gfeh'n, an Anfal fein Fun Fein Fun..."
...die Leute lachten bis sich die Tische bogen ...
Dann geschah etwas unvorhergesehenes...das künstliche Gebiss meines Vaters war plötzlich unauffindbar!!
Weiter begab sich folgendes:
ALLE SUCHTEN DIE DRITTEN ZÄHNE MEINES VATERS!
Unter dem Tisch, unter den Bänken und Sesseln, überall!
Ich muss gestehen: Ein Beispiel heroischen Einsatzes im Dienste des Showbusiness !
Ich erzähle diese Geschichte um einen Eindruck zu vermitteln, wer dieser Mann war, der als fürsorglicher Vater seinen schüchternen
Sohn briefen wollte, um in einer bevorstehenden Kindergeburtstags Party als smarter Unterhalter zu Punkten!
"Also pass' jetzt genau auf!" sagte er zu mir, mich eindringlich mit seinen grün-blau-grauen Augen fixierend!
"Du beginnst mit dem Erzählen eines Witzes: 'Drei Enten gehen über eine Brücke, wollen aber nicht auf die Brücke hingakken, wärend
sie darüber gehen...'dann fragst du vielsagend in die Runde: 'Was sollen sie tun', legst eine Spannungspause ein, eventuelle Vorschläge aus der Runde kommend schmetterst du
ab...dann erklärst du! 'Die erste Ente geht voraus, die zweite Ente hinterher und steckt ihren Schnabel in den Hintern der ersten Ente...' machst wieder eine Kunstpause und wirst
sehen, wie die Spannung steigt, dann machst du weiter mit der dritten Ente die ihren Schnabel in den Hintern der zweiten steckt...Kunstpause ...und ich garantiere dir, irgend ein
Wichtigtuer aus der Geburtstagstagsrunde wird fragen: und wer steckt der dritten Ente den Schnabel in den Hintern?' da sagst du: 'das kannst du tun !!'"
In dieser Weise gebrieft begab ich mich auf die Geburtstagsfeier von Hein Mali Junior...
Die Spätnachmittags Sonne schien durch die westwärts gelegen Doppelfenster auf den Tisch mit der Geburtstagstorte, um den herum die
Geburtsgäste saßen, ich, die Huti Buben, Hein und Frau Mali...ich hatte lange gewartet bis ich mich traute:"...ich weiß eine Witz..." dann begann ich: "Drei Enten gehen über eine Brücke,
wollen aber nicht auf die Brücke hingakken, wärend sie darüber gehen...'dann fragte ich vielsagend in die Runde: 'Was sollen sie tun', dann legte ich eine Spannungspause
ein, eventuelle Vorschläge aus der Runde kamen nicht ...dann erzählte ich weiter: "die erste Ente geht voraus, die zweite Ente hinterher und steckt ihren Schnabel in den Hintern der
ersten Ente...' für eine weitere Kunstpause hatte ich nicht so recht die Nerven, 'was wenn es ihnen zu lange dauert?' darum machte ich gleich weiter mit der dritten Ente die ihren
Schnabel in den Hintern der zweiten steckt...keine
Kunstpause...was wenn kein Wichtigtuer aus der Geburtstagstagsrunde fragt '...und wem steckt die dritte Ente den Schnabel in
den Hintern?'
Diese Möglichkeit machte mich sehr nervös und beunruhigte mich sehr und ich entschloß mich sozusagen zu einer "FLUCHT NACH VORN„
sagte ich in Richtung Hein: "...und der dritten Ente kannst du deinen Schnabel in den Hintern stecken ..."
Die Pijamahose.
Eines Tages schneiderte Mutter Mali ihrem Sohn Hein aus einem längsgestreiften Stoff eine Hose, diese Hose wurde prompt zur Lieblinshose
von Hein, mit der Konsequenz das Heinz sie fast jeden Tag anhatte, ab dieser Zeit war er "Der mit der Pyjama Hose"...
Ich glaube diese Art von Wiedererkennungswert, schmeichelte Heinz zuweilen, so ein Wiedererkennungswert hatte aber, muss man sagen,
nicht immer nur Vorteile, zumal Heinz ja nicht immer der Bravste gewesen war...
Die Fenstersturzzeit. Das war die Zeit in der ich "Berühmtheit" erlangte...
Sogar im "Salzurger Volksblatt" und anderen salzburger Zeitungen konnte man darüber lesen.
Die "Salzburger Nachrichten" schrieb am 18.6.1962: "...fiel der achtjährige Peter Schwarz... aus einem im dritten Stock gelegenen
Fenster der elterlichen Wohnung in die Tiefe und zog sich dabei schwere Verletzungen zu..."!
Das mit den schweren Verletzungen war allerdings Fake-News, aber ich muss zugeben es klingt
öffentlichkeitswirksamer !
Alle möglichen Menschen pilgerten, zu der Stelle hinter dem Dreistöckigen Wohnblock der Schiebenschläferstraße 27-31 um die kleine Mulde
in der Wiese direkt in Falll-Linie unterhalb unseres Schlafzimmerfensters im dritten Stockwerks zu bestaunen...
Meine Beine waren damals so lang wie das Fensterbrett unseres Fensters breit war, so das ich entspannt mit ausgestreckten
Beinen auf diesem sitzend den Rücken am Fensterlängsbalken gelehnt, das Treiben im Hinterhof zu beobachten konnte.
An oben erwähnten sonnigen Junitag saß ich also sogestalt am Fensterbrett und hatte schon gemütlich bei einem
selbstgemachten Zwiebelbrot bis zu ca. zu einem Drittel Abbissspuren hinterlassen und beobachtete drei Polizisten- Ehegattinnen mittleren Alters, in Lockenwickler-Style , nahe der
Kellerstiege des Hauses 27 zwischen Teppichklopf- und Wäschetrocken-Stangen auf Campingsesseln, an einem Klapptisch sitzend, beim Karten spielen...
Angeblich berichtete später eine von ihnen; sie wurde von einem Geräusch erschreckt, bei dem sie dachte, irgendjemand hat einen
Teppich aus dem Fenster geworfen...
Meine Mutter, einige Zeit danach zu mir, es war furchtbar, sagte sie; als sie, die im Wohnzimmer mit meinem kleinen Bruder Jan
beschäftigt, erst allmählich das Geschehene realisierend, mit meinem kleinen Bruder im Arm aus dem Fenster in die Tiefe hinab spähte, das Unfassbare ohnmächtig zu
realisieren eigentlich nicht in der Lage war...rief ihr eine der Damen zu: "pass'ns auf dass eanan da Klane net ano obafoid"!
Ich erinnerte mich an fast gar nichts, keine Angst, keine Schmerzen, vielleicht nur in einem ganz fernen Bewußtseinsnebel, ein
rückwärtiges nachhinten greifen und dass kratzende Gefühl abrutschender Fingernägel auf blechernem Fensterbrett und mein Vater, ja sagend zu einem Mann im weißen Kittel ....
Wenn ich damals gestorben wäre, hätte ich davon nichts mitbekommen; ganz zu schweigen davon, dass, wie oft kolportiert, mir während des
Falles, vor meinem inneren Auge mein ganzes Leben vor mir abgelaufen wäre...(abgesehen davon, dass es da noch nicht viel zum "ablaufen" gegeben hätte, mein Leben war ja damals noch
nicht so lang, gerade mal fast 8 Jahre...).
Auf alle Fälle möchte ich mich hier an dieser Stelle für die damalige unglaubliche Leistung meines Schutzengels BEDANKEN
!!! denn außer einer Gehirneschütterung und drei geprellten Rippen war mir nichts passiert...
Meine bewussten Erinnerungungen begann mit dem Aufwachen in einem Bett des Kinderkrankenhaus Salzburg.
Mit einem großen Pflaster über die die gesamte Oberfläche meiner Bauchdecke.
Als Schwester Elfiede das Pfaster wechselte, konnte ich ihn sehen, den großen Schnitt in Längsrichtung meines Bauches,
mit spektakulären Nähten zusammengezogen, ringsherum alles Blau, das war wahrscheinlich das, zu was mein Vater zu dem Mann im weißen, Kittel ja gesagt hatte... Bauchdecke
öffnen? Damals die einzige medizinische Möglichkeit abzuklären ob es innere Blutungen gab...aber es gab sie nicht...
...darum musste ich zehn Tage im Krankenhaus bleiben, machte mir nichts aus, so konnte ich länger bei Schwester Elfriede bleiben, in die
ich mich verliebt hatte...
Schwester Elfriede die zu uns kleinen Patienten sehr Führsorglich war, konnte Erwachsene eindrucksvoll aus dem Krankenzimmer hinaus
schmeißen, so auch meinen Vater und noch jemanden der fast so wie mein Vater aussah, nur etwas kleiner und seine Gesichtszüge etwas verzogen die selbe Stimme nur tirolerisch gefärbt, sich gut
gelaunt den Raum mit Stimmen füllend dur die Tür drängen wollten, aber von Schwester Elfriede durch die halbgeöffnete Tür mit: Nein nein nein wieder zurückdrängte, sonderbar ich wußte gleich
dass es Onkel Alfred war, obwohl ich ihn noch nie gesehen hatte, ich kannte ihn nur aus Erzählungen meines Vater durch die ich wusste dass Onkel Alfons in seiner Jugend einen Bergabsturz
mitgemacht hat...schade das Elfriede ihn nicht herein gelassen hatte, denn ich denke Onkel Alfred hätte gerne Absturz Erfahrungen mit mir ausgetauscht und ich mit ihm...
So lag ich Im Bett und beobachtete durch die hohen alten Fenster des Krankenzimmers, die Schwalben, die piepsend ihre Kreise zogen
hoch über die Kastanienbäume des Müllnerbräu-Biergartens aus dem fern Gemurmel klang und helle Geräusche von aktivem Essbesteck, der Himmel war strahlend Blau, es war Juni.
Auf dem Krankenhausnachtkästchen neben meinem Bett, eine köstliche mit Marillen-Marmelade gefüllte Bisquit-Rollade, gebacken von meiner
Lehrerin, unfassbar und meine Mutter erzählte mir, sie habe gemeinsam mit meinen Mitschülern für mich gebetet ...
Innsbruck, oder besser: “Innschbruck“ die Heimatstadt von Onkel Franz!
Heimatstadt ist richtig, denn Onkel Fritz verkörperte das Tirolerische so stark, dass ich am liebsten selbst ein Tiroler gewesen
wäre, wenn ich bei ihm war, oder er bei uns, was allerdings nicht oft vorkam...
Um so mehr freute ich mich, wenn er plötzlich vor unserer Tür im dritten Stock der Siebenschläferstraße 29 stand, die
ich öffnete weil es klingelte, und tirolerische Klänge mich begrüßten, begleitet von einem verschmitzten Grinsen das seine buschigen Augenbrauen leicht schief - und seine ledrige Haut
in Falten legte.
Ich rief "Onkel Fritz" drehte mich auf der Stelle um ließ ihn an der Tür stehen, rannte durch unseren dunklen langen engen Flur in
Richtung Wohnzimmer und rief "Mama, Mama, Onkel Fritz ist da....!
Genauso freute ich mich wenn wir Onkel Franz besuchten.
Onkel Franz wohnte in "Innschbruck" in einem schönen alten Mehrparteien-Wohnhaus.
Das gerundete Stiegenhaus war kühl, nach einigen Rundungen die Stiegen mehrere Stockwerke hinauf gekämpft stand man plötzlich vor der
dunkelbraunen Wohnungstür von Onkel Frianz und seiner Familie. Ich erinnere mich noch an das hohe geräumige Wohnzimmer mit Kastenfenstern mit Oberlichten durch die
mildes Licht schien.
Es gab einen Küchentisch mit einer Eck-Sitz-Bank beim linken Fenster; von dem Sitzbett aus gesehen, neben dem ein Kofferplattenspieler
auf einem Kästchen stand, mit Schallplatten daneben, eine davon Herbert Hisel, " "Ein Münchner im Himmel" "...du boaniger Engl du boaniga..." kann ich mich noch erinnern und außerdem lag da
auch noch eine Gitarre...
Am Küchentisch saßen die Erwachsenen, Onkel, Tante, meine Mutter, mein Vater, meine drei Cousinen, die meinen Vater liebten, in
ein Erwachsenen Gespräch vertieft, meine Cousinen waren ja auch schon fast Erwachsen...
Nachdem ich Herber Hisel fertig gehört hatte, nahm ich die Gitarre in die Hand und ließ mich von ihrem Geruch betören. Ich zupfte an den
Saiten und mir schwebten silbermondgleiche Klänge entgegen...
Das war zu leicht zu bewerkstelligen, bei einer Gitarre braucht man die Töne nur freizulassen und sie schweben fort wie Löwenzahnsamen
im Maiwind...
Erst einer, dann zwei, dann drei ... die Abstände der drei Nylon-Saiten passten genau zu den Abständen meinen Finger zu einander
an der rechten Hand...Ringfinger zur 1.Saite, Mittelfinger zur 2.Saite, Zeigefinger zur 3.Saite.
Dann zupfte ich drei Saiten hintereinander an, drei Töne schwebten hintereinander hoch und verschmolzen zu einem Klang, was ich damals
noch nicht wusste, ein E-Moll Sext-Akkord.
Das wiederholte ich, mit dem Unterschied, dass ich die 1. Saite am 1.Bund niederdrückte, es entstand etwas völlig anders, eine
komplett andere Welt: Drei Klänge schwebten in mein Ohr, aber sie schichteten sich wieder völlig anders, kitzelten mir im Ohr, wie ein kühler erfrischender Wind der von einem Bergkamm
herunter weht, hinter dem sich gerade die Sonne versteckte... ein G7-Akkord mit Auslassung der Quinte.
Das selbe nochmals, mit dem Unterschied, dass ich die 2. Saite am 1.Bund niederdrückte, es entstand etwas völlig anders eine komplett
andere Welt: Drei Klänge schwebten in mein Ohr, aber sie schichteten sich wieder völlig anders, wie wenn eine leichte Brise weht, über ein Weizenfeld, auf der sich milchiger matter
Sonnenschein legt: ein C-Dur Akkord Quartsext Akkord.
Wieder so was ähnliches, aber auf die 3. Saite am 1.Bund niederdrückend, dieses Mal war alles anders, Viva Espania! : ein E-Dur
Sextakkord, der seine melancholische Erlösung fand in dem A-Moll Akkord den ich unwissentlich spielte, nachdem ich die ganze genußvolle Fingerabroll Sequenz wiederholte, wieder den 1.Finger
auf den 1.Bund der 2.Saite aber zusätzlich den 2. Finger auf den 2. Bund der 3. Saite drückte!
Die Erwachsenen redeten über ernste Angelegenheiten und die Worte vermischten sich dem blauen Dunst aus meine Vaters Zigaretten, seit
damals haben ernste Worte für mich Nikotin Fläir. Meine fast erwachsenen Cousinen lauschten mit großen Augen und Ohren und versuchten sich dann und wann an Erwachsene
Wortspenden.
Meine Zeige-Mittel-Ringfinger zupften 3.2.1.Saite an, unermüdlich, in gemeinschaftlicher Anstrengung mit den dem 1.und 2. Finger der
linken Hand am Griffbrett, ließen sie Dreiklänge aus der Gitarre E-Moll, G7, C-Dur, E-Dur, A-Moll, in mein Ohr schweben, immer wieder und wieder, dann 2x, dann 4x, 8x, jeden
Akkord, plötzlich Richtungsänderung der Finger der rechten Hand: Ring-Mittel-Zeigefinger rechts, dann Zeige-Mittel-Ringfinger und Mittel-Zeigefinger in einem durch...und
wieder und wieder immer schneller und schneller wie Spielzeug-Wind-Räder in dass ein Kind bläßt...
Meinem Vater war das nicht unbemerkt geblieben, als wir wieder in Salzburg waren engagierte er für mich einen Gitarrelehrer, Herr
Stra.
Herr Stra, ich mochte ihn sehr, er war sanft, freundlich, distinguiert, zu schmunzelnder Ironie im Unterton seiner Rede neigend;
das Gegenteil von meinem, im Krieg verhärten Vater und es entstand eine freundschaftliche Beziehung.
In dieser Atmosphäre lernte ich schnell auf der Gitarre, es dauerte nicht lang, da erreichte ich ein technisches Niveau, gleich jenem,
das ich in meiner späteren Unterrichtstätigkeit am "Musikum" meinen Schülern zum "Bronzenen Leistungsabzeichen" abzuverlangen verpflichtet war.
Eines Tages, in einer der üblichen Gitarrenstunden, Stra saß wie immer direkt rechts neben mir, legte er seine linke Hand in
meinen Schritt.
Stra wohnte im 1.Stock Tür Nr 4, seit damals fröstelt es mich wenn ich diese Tür vor meinem geistigen Auge visualisiere... Dabei hatte
ich diesen Mann früher einmal geliebt, ich denke, das ist das Problem bei vielen sexuellen Übergriffen...
Danach wollte ich Cellist werden!
Meine erste Begegnung mit dem Cello war die Begegnung mit seinem Klang, der mich mit Komplementär Schwingungen und Differenztöne , oder
waren es Residualtöne ?umhüllte; als ich meinen Vater sah, wie er in unserem Wohnzimmer dieses Instrument, auf einem Stuhl sitzend zwischen seinen Beinen balancierend, beinahe umarmte
er dieses geschwungene Zauberwesen aus einem anderen Universum, dass er auf einmal, wie aus dem Nichts zu Hause anschleppte und darauf spielte...
Alles erschien mir plötzlich wie in einer Parallelwelt. Mein Vater war nicht mehr der Vater den ich seit Anbeginn meiner Erinnerung
kannte. Unwirklich, wie ein Hologramm das plötzlich von einem Höherem Wesen mit Strahlkraft in unser Wohnzimmer projiziert wurde. Mein Vater, Eins mit sich und allem, spielte
so auf dem Cello, als ob er immer so gespielt hatte, als ob er nie etwas anderes getan hätte als auf diesem Instrument zu spielen.
Es war wie ein blitzartiges sich Erinnern, Bewusstwerdung eines andern Seins, eine Instand Wandlung... Er spielte und die Cello Töne
orgelten durch den Raum und durch mich!
"Es war meine glücklichste Zeit..."
...Mein Vater erzählte von seiner Studienzeit in den 30er Jahren in Wien..."Obwohl ich damals ein Hungerstudent war, ich lebte von einer
Gulaschsuppe pro Tag..." Um Kosten sparen war mein Vater war auch Bettgeher bei einer Kriegswitwe (1.Weltkrieg) die den verweisten Teil ihres Ehebettes billig an Studenten
vermietete...
"...ich hatte damals einen Freund, Pepsch," fuhr er fort: "...wir hatten viele gemeinsame Gespräche über Musik, meist
während der oft langen Wege durch Wien, die wir zu erledigen hatten, Per Pedes, hatten ja kein Geld für die Straßenbahn ... Ich war damals glühender Wagnerianer, der sich
enthusiastisch für Wagneropern, lange um billige Stehplatzkarten anstellte!
'Blattl' ..." sagte Pepsch zu mir’“ erzählte mein Vater (Blattl, so wurde mein Vater damals genannt ) „...um das auszudrücken, zu
dem Wagner ein 100 Mann benötigt, braucht Mozart lediglich ein erweitertes Streichquartett'“ und mein Vater ergänzte sinnierend, „damals verstand ich noch nicht was er meinte "...Pepsch war
damals etwas reifer als ich...vielleicht hing das damit zusammen, dass er an einem irreparablen Herzklappenfehler litt, wer weiß..."
Zum Glück fand mein Vater gelegentlich hilfreiche Geister, die ihn hin und wieder aufpäppelten! Frau Meierl die für ihn
eine Basta asquitta zuzubereiten verstand, die bis hinauf in meines Vaters Gegenwart nicht seinesgleichen gefunden hatte, warscheinlich auch unter der Zuhilfenahme des
Gewürzes “Hunger ist der beste Koch"
Auch war Blattl einmal in der Woche zu Tisch in dem kultivieten beinahe Großbürgerlichen Haushalt seines Cellolehrer
Richard Krotschak geladen, mit dem Hintergedanken den hoffnungsvollen Hungerstudenten zu dringend nötigen Nachfütterungen zu verhelfen!
"...weißt du was mein Cellolehrer getan hat, wenn einer seiner Studenten nichts geübt hat? Beschrieb mir mein Vater seinen
Lehrer...
Zum Beispiel: "Dotzauer Etüden". Es waren ja immer alle seiner Studenten gleichzeitig beim Unterricht anwesend,
wärend einer vorspielte; er hat die Noten des betreffenden Studenten genommen, zusammengeklappt und freundlich gesagt' Schauen sie, es gibt so schöne Berufe: Bäcker, Schuster, ...' er
schaute gespielt fragend in die Runde der übrigen Studenten: '...was gibt, es noch, Tischler .... warum unbedingt Cellist?'. Du kannst sicher sein, sagte mein Vater zu mir, bis zum
nächsten Unterricht hatte jeder geübt!"
Ein Freund eine ehemaliger Studienkollege von mir, der ein sehr begabter Celloschüler beim Professor Weigl im Mozarteum
Salzburg war, setzte seine weiteren Studien in Wien bei Professor Krotschak fort, der sogar noch im höreren Alter, bis in die 1980er Jahren unterrichtete.
Mein Studienkollege litt damals leider an einer bestimmten Zangsstörung, die sich so äußerste, dass er nur auf bestimmten
Stühlen Cello spielen konnte! Bei seinem gutmütigen Lehrer in Salzburg probierte während der Cellostunde erstmals alle Stühle im Unterrichtsraum durch bis er zum Spiel bereit war. Als
er diese Gewohnheit auch beim Krotschak fortsetzen wollte, begab sich folgendes; mein Freund erzählte es mir, mit einem in seiner für ihn typischen Art ein bisschen verrücktem Kichern: "Was
du was Krotschak gesagt hat: '...Sie brauchen keinen Cellolehrer sondern einen Psychiater...'
Mein Vater erzählte, Krotschak war noch einer im alten Stil, der mit flottem Gestock und Strohhut ...
Mein Vater war auch noch bei den Krotschaks zum Essen einladen nachdem er gezwungen wurde das Cellostudium zu Gunsten seines
Flötenstudium, bei dem er weiter fortgeschritten war, sehr zum Missfallen von Krotschaks aufzugeben...
"Blattl, kann man so auch Solo spielen?" spöttelte Krotschak, gleichzeitig mit Handbewegungen Flötenspielen imitierend... "...Aber
Richard, laß ihn doch..." sagte Frau Krotschak weiblich beschützend...
Als mein Vater so unerwartet dieses Cello anschleppte und zu spielen begann zauberte er mit seinem Spiel all
dies hervor...spulte diese verlorene Parallel Welt, dieses nicht gelebte Leben für wenig kostbare Augenblick in unser Wohnzimmer, in dem er diese Töne seinem Cello entlockte,
zurück...
...Sein wirkliches Leben hatte etwas anderes mit ihm vor:
Es müsste dieses Jahr gewesen sein, in dem mein Großvater am selben Tag starb als Adof Hitler in Österreich einmarschierte,
in dem Jahr als mein Vater erfolgreich das Probespiel für die Stelle eines Flötisten bei den Wiener Philharmonikern mit großem Erfolg bestanden hatte und Anfang 1939 als er
zur Deutschen Wehrmacht eingezogen wurde...
Meines Vaters Flötenlehrer ersuchte noch einen damals prominenten Dirigenten um Hilfe, mit dem Hinweise auf die hoffnungsvolle
Begabung seines Schülers, doch musste man sich resignierend in dem Wahnsinn fügen .
September 1939 ging es ab nach Polen ...
Blattl, der frisch gebackene Flötist der Wiener Symphoniker, der am liebsten Cellist geworden wäre, wurde von jemandem, der die
Aufnahmsprüfung zu Akademie der bildenden Künste in Wien nicht schaffte, gezwungen mit der Deutschen Wehrmacht das arme Polen zu überfallen.
Mein Vater erzählte nicht viel über die Kriegs-Zeit, nur seine Träume taten das, auch zwanzig Jahre später, hier ein Beispiel:
Hotelzimmer in Monte Carlo, einer der Stationen der Frankreich-Tournee des Mozarteum Orchesters; der Oboist, Robert Rauscher, wurde irgendwann zwischen drei und fünf Uhr morgens,
von dem gellenden Schrei, aus dem Mund seines Zimmerkollegen, dem Soloflötisten des Orchesters mit dem Spitznamen „Blatt’l“ , meinem von Alpträumen geplagten Vater
geweckt…
Dennoch ließ es sich mein, immer zu Scherzen aufgelegter Vater nicht nehmen, am nächsten Morgen, seine im Frühstücksraum des
französischen Hotels befindlichen Orchester-Kollegen schalkhaft mit "Pommes frites" Madame, „Pommes frites“ Monsieur, statt mit Bonjour zu begrüßen …
Als sich mein Vater an einen Tisch gesetzt hatte, näherte fürsorglich der Geiger Baumlinger, sagte zu ihm in vertraulichen Ton:
„Herr Kollege sie sagten Bom frites aber wahrscheinlich meinten Bon jour, es heißt Bon Jour, darauf wollte ich sie nur aufmerksam machen…“ Mein Vater bedankte sich herzlich bei seinem
fürsorglichen Kollegen,
während am selben Tisch befindliche Kollegen sich heimlich ihre Gesichter rotkicherten…
Mein Vater erzählte mir eine Geschichte aus der Zeit der Englandtournee des Mozarteumorchester; einige Musiker saßen im Foyer des
Londoner Hotels in dem sie untergebracht waren, die Kellnerin fragte: "Tea or Beer"? Darauf hin ein Kollege:" Was hots g'ogt" so lautstark in breiten salzburger Dialekt, dass die
Kellnerin erschrocken zurück wich. Mein Vater erklärte leise in die Richtung seines salzburgerischen Kollegen: "Sie will wissen ob du, Tee oder Bier willst..." darauf
der Kollege wieder lautstark mit großartiger Geste: "Jo natürlich Bia, mia Soizbuaga trink'n natürlich Bia!"
Während der Deutschlandtournee gab das Orchester auch ein Konzert in Hannover. Nach dem Konzert wurden die Musiker von der Keks-Familie
Balsen in ihre Villa geladen.
Es stand dort ein Flügel und ergab sich, was im sich immer ergab, wenn mein Vater in die Nähe eines Klavieres kam, speziell
nach dem Genuss von ein oder mehrere Gläschen sorgsam vergorenen Traubensaftes.
Egal ob in der Wohnung seiner Freundin Doris im 3. Stock ihrer Eigentumswohnung in Salzburg-Lehen oder in dem Weinlokal in Kaigasse wo
mir Vater den grausigen Wein, mit" Trink Peter, trink.." aufdrängte, in der Hoffnung, dass sein verschlosser schweigsamer Sohn etwas auftaute...
Der dort fix engagierte alte Barpianst, den es dort schon lange nicht mehr gibt, freute sich, wenn mein Vater
kam...
Mein Vater sagte zu mir vertraulich: "Er freut sich wenn ich komme, denn er weiß, dann kann er eine Pause machen..." weiter sagte er
mir, dass er ihm leid tue, dass er Nacht für Nacht hier spielen mußte nur um zu überleben, ein tragisches gescheitertes Musikerschiksal...
Ich, der das Leben noch vor mir hatte, dachte, so werde ich niemals enden...
Mein Vater setzte sich ans Klavier und spielte und sang sein übliches Prorgamm mit dicker Klavierbegleitung.
Arien aus Operetten, Opern; wie zb einer seiner Favoriten: „Lache Bajazzo" aus: "Pagliacci, einer Oper von Ruggero
Leoncavalli" eine bewegende und der einzigen berühmte Arie Leoncavallis, in dem der Clown Canino aus einer Comediea dell' Arte Truppe kurz vor seinem Aufritt sein Leid in die Welt hinaus
schreit, das Publikum zum Lachen bringen zu müssen, obwohl er selbst zu tiefst traurig ist... Weiters Evergreens, die Klaviertasten mussten einiges aushalten und beiden, dem Klavier und
meines Vaters Brust entströmte intensive musikalische Energie...
Weiters:
"Ich habe mir für Grinzing einen Dienstmann engagiert,
Der mich nach Hause führt, wann irgendwas passiert,
Denn auf den Wein kann sich der Mensch ja nicht verlassen,
Da wackelt z'erscht der Kopf und dann die ganze Gassen!
Ich hab' mir für Grinzing einen Dienstmann engagiert,
Der hat mich numeriert, damit mir nix passiert!
Jedoch am Ende dieser seligen Partie,
Do woar der Dienstmann no viel b'soffener als i! "
Auch Drogensongs aus Wien hatte er drauf, erfolgreich den Zungenschlag eines Wiener Besoffen imitierend...
Man könnte meinen nach ein oder mehreren Liter Wein intus dürfte ihm das nicht schwer fallen, aber ich muss sagen mein Vater verlor nie
auch nach dem Konsum größerer Mengen Alkohols die Kontrolle über sich und man konnte ihm nichts anmerken, außer dass er sehr laut werden konnte... zum Beweis konnte er jederzeit einen
Kopfstand machen...
Ich war einmal dabei, als er in eine Polizeikontrolle kam, nachdem ein Doppler Rotwein seine alkoholische Essenz in seinen Blutkreislauf
transferiert hatte:
Rechts ran fahren, nach dem das Polizeiauto unser Auto zu Seite winkte, eine respektseinflösende Polizeiuniform nähert sich dem Fenster
auf der Fahrerseite im gelblich fahlen Schein der Straßenlaternen, Fenster herunterkurbeln, Autopapiere, einige Sätze wurde ausgetauscht, danke gute Fahrt...
Mein Vater nahm das zu Anlass mich zu briefen, quasi für die Zukunft"
...wichtig, ganz ruhig bleiben, nicht zum Fenster hinaus atmen, wegen der Alkoholfahne, ein bisschen argogannt, aber höflich
sein..."
Aber zurück nach Hannover, mein Vater zeigte mir ein Foto, vielleicht Polaroid, mein Vater fesch und charismatisch am Klavier, hinter
ihm in guter Stimmung, mit schimmernden Gläsern in der Hand, grinsende Orchester-Kollegen und die - "Balsens"
Gläser die mit einander anstießen.
...Flötenüben im Schlafzimmerschrank. Nur die Füße meines Vaters steckten seitlich aus der nur einen Spalt
geöffnet Schranktüre heraus, durch den Spalt schimmerte der matte Silberglanz seiner Traversflöle, aus der ebenso silberne Klänge entschwebten. Ich habe heute noch die Komplentär- Töne
im Ohr, der Rest meines Vaters war zwischen auf Kleiderbügel aufgehängten Jacken und seinem Konzertfrack intarsiert.
So wurde der Schlafzimmerschrank zu einem Ganzkörper-Schalldämpfer umfunktioniert, damit die Nachbarn nicht gestört wurden, doch wohl
auch, weil diese Nachbarn ja Kollegen waren, diese nicht unbedingt mitbekommen sollten, bei welche Flötensolis eines bevorstehenden Orchesterkonzerts, das meist am an einem
Freitag gegeben wurde, mein Vater noch sicherer und noch noch perfekter sein wollte, denn die Kollegen, waren die hinterhältigsten Kritiker, wenn beispielsweise bei Debussys „Nachmittag eines
Fauns“ im vollbesetzten Konzertsaal das Orchesters zum Pianissimo diminuierte, das berühmte Flötensolo einsetze, in Piano einen gleichmäßigen Atem erfordernd, während einem das Herz bis
zum Halse schlug…
Dienstags begangen die Proben und bis Freitagabend, war mein Vater in höchster nervlicher Anspannung, Woche für Woche, Jahr für
Jahr!
Eines Tages lag er mit einer Decke Tagsüber auf unserer Wohnzimmer-Couch, ein Kollege besuchte ihn, eine für mich ungewöhnliche,
nicht verständliche Scenerie...es fiel das Wort:"Nervenzusammenbruch".
Dieses Wort "Nerven" hatte für mich seit dem eine leicht unheimliche Bedeutung...
Später zeigte mir meine Mutter eine Ansichtkarte die mein Vater uns geschickt hatte, mit einem Kugelschreiber ist ein Kreuzl eingedrückt
worden, in die Glanzpapierabbildung eines schönen schlossartigen Gebäudes vor dunkelgrünem See, dort wo das Fenster war, hinter dem mein Vater ein Bett im
Krankenkassen-Erholungsheim Goldeck bewohnte...
Ein Konzert begann zu Hause des Öfteren mit einer verzweifelten Suche nach einem "Weißen Hemd" , welches; dem
Umstand geschuldet, dass meine Geigenspielende Mutter nicht unbedingt eine Vorbildliche Hausfrau war; manchmal etwas schwer aufzutreiben gewesen ist...
„Wo is mei weißes Hemd, i muas in Dienst"! Rief mein Vater hektisch…
Diese Worte sickerten in mich ein, und tauchten wieder auf bei der Frage: "...und welchen Beruf hat dein Vater? " ...alle schauten
mich erwartungsvoll an, meine neue Volksschullehrerin aus dem Sudetenland, die glaubte mir eine einfache Frage gestellt zu haben, meine frischgebackenen neuen Mitschüler, am ersten
Schultag 1960, unter ihnen Hary Herzig der Sohn des Geigers aus dem 2.Stock der Siebenschläferstraße 29 Top 9 der schon 7 Jahre alt war und diese ihm zuvor gestellte gleichlautende
Frage korrekt und vorbildlich mit "Musiker" beantwortet hat!
Ich, den diese für mich unerwartete Frage etwas verwirrte, erinnerte mich an die Ausrufung oder vielleicht sollte man sagen Anrufung
meines Vaters : "I muaß in’n Dienst" und zimmerte daraus das Profil für das Berufsbild meines Vaters und antwortete: "Dienstmann"
Salzburg ist die Stadt steingewordener Spiritualität:
- Dom zu den Hll. Rupert und Virgil
- Stiftskirche St. Peter
- Bürgerspitalskirche St. Blasius
- Ursulinenkirche St. Markus
- Kajetanerkirche St. Maximilian
- Filialkirche zum hl. Michael
- Franziskanerkirche Zu Unserer Lieben Frau
- Kollegienkirche
- Sacellum
- Georgskirche
- St. Salvator-Kirche (nicht mehr bestehend)
- St.-Johannes-Kapelle der Pallottiner
- Schwarzenbergkapelle in der Residenz....
- Klosterkirche zum hl. Bonaventura (Kapuziner)
- Karl-Borromäus-Kirche (nicht mehr bestehend)
- St.-Sebastian-Kirche
- St. Maria Loreto
- St. Johannes am Imberg
- Altkatholische Schlosskapelle Mirabell...
...Das Allein nur in der Altstadt, dem Epizentrum katholischer Historie, gegründet vom heiligen Rupert; dessen Namenstag am 24.
September alljährlich von der Stadt mit Kirchtag, Blasmusik und Besäufnis eingehen gefeiert wird; wie Schwämme herausgewachsen, aus römischen Ruinen des einmaligen Juvavum,
hier wurden schon die ersten Christen verfolgt, die ihre Messen heimlich in den Katakomben, hinein gemeißelt in den Konglomerat, am Fuße des Mönchberges hielten, später vom Friedhof des
Klosters Sankt Peter umringt...
Insgesamt 50 Kirchen auf 150.ooo Einwohner!
Also mehr Kirchen pro Kopf als in Rom (ausgenommen Vatikan) !
In Stein gemeißelte Religiosität, oder steinerne Religiosität ?
"In den Jahren zwischen
1675 und 1690 wurden 153 Personen (weit überwiegend Buben und Burschen aus Bettlerkreisen) wegen angeblicher Zauberei hingerichtet...(Quelle: SalzburgWiki) Eigentlich müsste man auch
für sie "Stolpersteine" einrichten zusätzlich zu denen, die Auskunft geben über Opfer des naziphilen Salzburg...
"(Die 16Jährige) Maria Pauer, eine Dienstmagd in Mühldorf am Inn, wurde
am 27. Jänner 1750 wegen Hexerei festgenommen und im selben Jahr
als die letzte Hexe in Salzburg hingerichtet. (Quelle SalzburgWiki) Unter der Herrschaft von Fürsterzbischof Andreas_Jakob_von_Dietrichstein ...noch vier Jahre vor der Geburt des Wolferl
Amadeus...
Die zeitliche Nähe zu Mozarts Geburt, 27. Januar 1756 zu diesem
Ereignis, auf den Tag genau vier Jahre, merkt man seiner Musik nicht an, oder doch ?
Vier Jahre! Was sind schon vier Jahre!
Vielleicht hier eine Vergegenwärtigungübung:
Es ist nicht lange Jahre her, als religiöse Fanatiker Menschen verbrannten ...irgendwo in einem fernen Land... dieses Mal waren die
Fanatiker halt keine Christen... stellen wir uns vor, das wäre hier in Salzburg passiert, Menschen verbrannt vor dem Festspielhaus...und dann vier Jahre später wird hier
ein Musiker geboren, der kurze Zeit später einen Hit nach dem anderen schreibt . wie wäre seine Musik?
Vielleicht sollten wir daran denken wenn wir vor Mozarts Geburtshaus stehen, oder Mozartkugeln essen...
Nichts des to Trotz: Die zu Fürst-Erzbischöfen; das heißt zu Herrn über Hostie und sowohl auch Richtblock; mutierten Nachfolger Ruperts,
verdienten gut mit ihrer Salz-zu-Geld-Waschmaschine und dem ständigen Salznachschub aus dem Dürnberg zu Hallein und dem nie endendenwollenden Salzbedarf des Landes!
Man brauchte Salz ja nicht allein zum "versalzen" von Speisen, sondern, wesentlich wichtiger zum haltbar machen von Lebensmitteln,
Fleisch, Fisch und vieles mehr, in Ermangelung von Kühlschränken !
Und das kostet natürlich! Eh klar ! "Weißes Gold"! Es ist fast so, als wenn man in Salzburg einen Goldesel gehabt hätte...
und dann gab's da noch dazu auch einen einen guten Transportweg, einen Fluß, oder besser gesagt eine Ache, die nicht umsonst Salz-Ache oder besser Salzach hieß, die zwischen den
Stadtbergen floß, bei der man sich ansiedelte...
Katholischer Blutboden interessiert die Touristenschwärme kaum; sie entweihen Kirchen lieber durch heuschreckenartiges Überfallen,
keinem anderen Gott, als dem Gottes der Neugier verpflichtet, mitunter durch ihre Kleidung auch dem Gott omnipräsenter sinnentleerter sexueller Bereitschaft huldigend....
neurotisch knipsend, schon wieder gehetzt zur nächsten Sehenswürdigkeit.
Aber unbestritten: Architektur die einem nichtrationalen Zweck dient ! Dessen nicht-rationalen barocken Rundungen sich
gut mit den Rundungen des Baumbestandes auf den Stadtbergen ringsum symbiotisierten...keine verdammten geraden Linien als Credo moderner Arichtektur...
Frage wo gibt es in der Natur eine gerade Linie ?!
All dies perlte an meinem Vater ab, wenn er auf seinem Rad, dass nicht mehr in dem besten technischen Zustand war, nach dem ich damit
durch die Lieferinger Au "ge-off-roaded" bin, zu seinem "Dienst" bei einem Festspielkonzert tretete.
Nicht dass er Ateist war... Er war nur der Meinung dass man bei keinem "Verein" sein müsse um zu Glauben, genau so wenig wie man nicht
beim Alpenverein sein muss, wenn man gerne am Berg geht; was ich schlüssig fand, später resümierte ich allerdings für mich: was wenn man am Berg in Not gerät ?
Möglicherweise könnte sein sozialistischer familiärer Hintergrund ein Indikator zum Verständnis des im obigen Absatz Erwähnten
sein.
Kirche und Sozialdemokraten standen ja zueinander lange wie Katze und Hund...
Nun mein Vater war Sozialist der zweiten Österreichischen Republik.
Die blutigen Konflikte zwischen Sozialdemokraten und Christlich-sozialen, in der ersten Republik in die sein
Vater, mein Großvater, Johann Schwarzbauer als Gewerkschaftsboss der Tiroler Eisenbahner involviert war, waren im Großen und Ganzen beigelegt, denn man hatte dazugelernt, durch
gemeinsame Erfahrungen im KZ.
Erfahrungen die meinem Großvater erspart blieben, er starb schon vor der Errichtung von Nazi-KZ's in Österreich, am Tag der
Machtergreifung Hitlers in Österreich am 13. März 1938, aber nicht als Konsequenz daraufhin, was nachvollziehbar wäre, sondern er starb an den Folgen einer Lungenentzündung, die wiederum
eine Spätfolge seines in der Jugend ausgeführten Berufes als Heizers; auf einer offenen Dampflok über den Arlbergpass, bei jedem Wetter, kohleschaufelnd, den eisigen Fahrtwind im
Rücken, durch die Gebirgskälte der Alpen, schwitzend vor sich den Glutofen, der den Dampfkessel zum Sieden bringt.
Mein Vater erzählte mir über seinen Vater: "Während seine Kollegen in den Pausen Karten spielten, bildete er sich fort
..."
In den zwanziger Jahren war er der gefürchtete Boß der Tiroler Eisenbahner Gewerkschaft. Meine Tante erzählte, es hieß "
...wenn der Schwarzbauer seine Löwenmähne schüttelte und seine Stimme erhebt, dann erzitterte..."
Er war beliebtes Angriffsziel in der Konservativer Presse:
"Allgemeiner Tiroler Anzeiger" Freitag 26. August 1927
"FRECHE SOZIALDEMOKRATISCHE EINGRIFFE IN DIE RECHTE DER BUNDESBAHNVERWALTUNG"
.....Der Gewaltige der Bundesbahndirektion Herr Schwarzbauer...
Hier der ganze Artikel:
In dem Artikel "NACHKLÄNGE ZUM EISENBAHNERSTREIK" wird ihm Machtdünkel vorgeworfen...
Im großen und ganzen aber geht es hier darum, die brutale Niederschlagung eines Streik und das mit Füßen treten des Streikrechts, durch
die Gendarmerie und die paramilitärische Schägerbande des Prälaten-Kanzlers Ignaz Seipel, die "Heimwehr", zu feiern...
Hier der ganze Artikel:
Ü
Beide Artikel standen im Zusammenhang mit den Ereignissen rund um den Justizpalastbrand, die die Explosivität der
politischen Verhältnisse zeigen, in den mein Großvater agieren musste...
"Julidemonstration. Das Urteil im Schattendorfer
Prozess führte am 15. Juli 1927 zu Massendemonstrationen in Wien und schließlich zum Justizpalastbrand.
Schattendorf
Am 30. Jänner 1927 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Schutzbündlern und Frontkämpfern im burgenländischen Schattendorf. Gegen 16
Uhr schossen die Frontkämpfer Hieronimus und Josef Tscharmann sowie Johann Pinter ohne ersichtlichen Grund in eine Gruppe vorbeimarschierender Schutzbündler, verletzten fünf Personen schwer
und töteten den achtjährigen Josef Grössing und den 40-jährigen Kriegsinvaliden Matthias Csmarits. Der Schwurgerichtsprozess fand in der ersten Julihälfte 1927 in Wien statt und endete mit
einem Freispruch der durch Indizien schwerst belasteten Täter.
Zur angespannten innenpolitischen Situation kam ein politisch motivierter
Prozess in den USA, wo wenige Monate zuvor die Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti nach einem jahrelangen Prozess wegen doppelten Raubmordes zum Tode verurteilt worden waren.
Trotz fragwürdiger Indizien und entlastenden Zeugenaussagen hielt die Justiz an ihrem Urteil fest. Aufgrund der offensichtlichen Parteilichkeit des Richters kam es zu heftigen internationalen
Protesten, die auch in Wien ihren Widerhall fanden. Noch am 11. Juli berichtete die Arbeiterzeitungausführlich über den Fall. Das Urteil im Schattendorfer Prozess verstärkte den Eindruck einer politisch motivierten Klassenjustiz, die sich
gegen die Arbeiterschaft richtete.
Demonstrationen
Der Chefredakteur der Arbeiterzeitung verfasste für die Morgenausgabe des
15. Juli einen in aller Deutlichkeit und schärfsten Worten gehaltenen Leitartikel gegen das offensichtliche Fehlurteil im Schattendorfer Prozess und warnte vor dem "schweren Unheil", das aus
dem fortgesetzten Versagen der Justiz und der permanenten Verletzung fundamentalsten Rechtsempfindens entstehen müsse. Die Bediensteten der Städtischen Elektrizitätswerke traten um 8 Uhr
in den Streik. Zur gleichen Zeit befanden sich bereits Tausende Demonstranten auf dem Anmarsch ins Stadtzentrum. Die spontan, ungeordnet und ohne Ordnerassistenz aus den Betrieben
heranziehenden Massen trugen improvisierte Transparente mit Parolen wie "Protest dem Schandurteil" oder "Wir greifen zur Selbsthilfe" mit sich.